Der letzte beste Ort by Wink Callan

Der letzte beste Ort by Wink Callan

Autor:Wink, Callan
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Suhrkamp Verlag
veröffentlicht: 2016-08-07T16:00:00+00:00


AUF DER SCHIEFEN BAHN

Für James McMurtry

Am Tag bevor Terry sich in Saginaw melden und seine Strafe antreten musste, ging er mit seinem Opa angeln. Es war Spätsommer, und der See erstickte vor Seerosen, die Oberfläche war eine fast geschlossene Matte aus gummiartigem Grün. Terry ruderte, und mit jedem Schlag wirbelte er die Pflanzen durch und entwurzelte sie; die Blätter klatschten an den Aluminiumrumpf und hörten sich an wie eine applaudierende Menge in der Ferne. Es war heiß, und alles war grün – der blätterbedeckte See, die Weiden, die sich am Ufer aneinanderdrängten, der kurze, perfekt gepflegte Rasen seines Großvaters, der zum Haus hin anstieg. Terry prägte sich alles ein, so gut es ging, jeden Grünton, das Zirpen und Summen der Zikaden, das raue Holz der Rudergriffe, den Schweiß, der ihm in die Augen lief, den üblen Geruch des Sees. Er wollte all das für eine nahe Zukunft abspeichern, in der er es womöglich brauchen würde. Terry ruderte und dachte darüber nach, wie man zwei Jahre beschreiben konnte – vierundzwanzig Monate, siebenhundertdreißig Tage, zwei Runden um die Sonne, ein Achtel seiner bisherigen Zeit auf der Erde. Terry starrte seinen Schwimmer an und hatte Angst.

Wenn man Barsche fangen will, richtig große Barsche, hängt man einen kleinen Shiner-Fisch unter den Schwimmer, hatte ihm sein Opa beigebracht, als Terry klein war. Er hatte Terry gezeigt, dass man zur richtigen Montage des Köderfischs den Haken knapp unter der Rückenflosse einsticht und unter der Wirbelsäule durchschiebt.

»Zu tief, und der Köder ist tot«, hatte er erklärt, »nicht tief genug, und er fliegt dir beim Auswerfen weg. So, und jetzt du.«

Terry konnte sich noch an seinen ersten Köderfisch-Montageversuch erinnern, wie das Tier in seiner Hand gezappelt hatte, wie es leise geknackt hatte, als die Hakenspitze zwischen den winzigen Gräten durchgekratzt und unter der Wirbelsäule vorbeigestoßen war. Dieses Knacken, das er eher gespürt als gehört hatte, war hart und unangenehm gewesen, wie wenn man ein Omelett isst und auf ein Stück Schale beißt.

Sein Opa hatte Terry beigebracht, dass man beim Barschangeln mit Shiner-Köder an den Bewegungen des Schwimmers sehen konnte, ob gleich einer anbiss. Die Shiner waren groß, manche über zwölf Zentimeter lang, und auch wenn sie den Schwimmer nicht unter Wasser ziehen konnten, brachten sie ihn doch anständig in Bewegung. Blieb der Schwimmer still, war der Köderfisch tot; leichtes Wackeln oder Hüpfen hieß, der Shiner war am Leben und drehte in Ruhe seine Runden; wildes Zucken und Reißen in verschiedene Richtungen dagegen, dass sich ein Barsch genähert hatte und der Shiner unruhig wurde. Dann musste man sich bereit machen.

»Der Barsch beobachtet sein Fressen erst mal«, hatte Terrys Opa erklärt. »Er bleibt unter dem Shiner und wartet ab. Der Kleine kriegt da oben langsam Panik, und der Barsch hockt da und macht sich so seine Gedanken. Normalerweise hauen die Shiner nämlich vor ihm ab. Er kennt es nicht so, dass einer dableibt und bloß vor ihm im Kreis schwimmt. Also beobachtet er und wartet ab, bis ihn entweder der Jagdinstinkt packt oder er aus angeborener Vorsicht lieber weiterschwimmt und nach Beute sucht, die sich benimmt, wie sie soll.



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