Der kaukasische Kreidekreis by Brecht Bertholt

Der kaukasische Kreidekreis by Brecht Bertholt

Autor:Brecht, Bertholt [Brecht, Bertholt]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-06-23T00:00:00+00:00


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Der Kreidekreis

DER SÄNGER

Hört nun die Geschichte des Prozesses um das Kind des Gouverneurs Abaschwili

Mit der Feststellung der wahren Mutter

Durch die berühmte Probe mit einem Kreidekreis.

Im Hof des Gerichts in Nukha. Panzerreiter führen Michel herein und nach hinten hinaus. Ein Panzerreiter hält mit dem Spieß Grusche unterm Tor zurück, bis das Kind weggeführt ist. Dann wird sie eingelassen. Bei ihr ist die dicke Köchin aus dem Haushalt des ehemaligen Gouverneurs Abaschwili. Entfernter Lärm und Brandröte.

GRUSCHE Er ist tapfer, er kann sich schon allein waschen.

DIE KÖCHIN Du hast ein Glück, es ist überhaupt kein richtiger Richter, es ist der Azdak. Er ist ein Saufaus und versteht nichts, und die größten Diebe sind schon bei ihm freigekommen. Weil er alles verwechselt und die reichen Leut ihm nie genug Bestechung zahlen, kommt unsereiner manchmal gut bei ihm weg.

GRUSCHE Heut brauch ich Glück.

DIE KÖCHIN Verruf's nicht. Sie bekreuzigt sich. Ich glaub, ich bet besser schnell noch einen Rosenkranz, daß der Richter besoffen ist. Sie betet mit tonlosen Lippen, während Grusche vergebens nach dem Kind ausschaut.

DIE KÖCHIN Ich versteh nur nicht, warum du's mit aller Gewalt behalten willst, wenn's nicht deins ist, in diesen Zeiten.

GRUSCHE Es ist meins: ich hab's aufgezogen.

DIE KÖCHIN Hast du denn nie darauf gedacht, was geschieht, wenn sie zurückkommt?

GRUSCHE Zuerst hab ich gedacht, ich geb's ihr zurück, und dann hab ich gedacht, sie kommt nicht mehr.

DIE KÖCHIN Und ein geborgter Rock hält auch warm, wie? Grusche nickt. Ich schwör dir, was du willst, weil du eine anständige Person bist. Memoriert. Ich hab ihn in Pflege gehabt, für fünf Piaster, und die Grusche hat ihn sich abgeholt am Ostersonntag, abends, wie die Unruhen waren. Sie erblickt den Soldaten Chachava, der sich nähert. Aber an dem Simon hast du dich versündigt, ich hab mit ihm gesprochen, er kann's nicht fassen.

GRUSCHE die ihn nicht sieht: Ich kann mich jetzt nicht kümmern um den Menschen, wenn er nichts versteht.

DIE KÖCHIN Er hat's verstanden, daß das Kind nicht deins ist, aber daß du im Stand der Ehe bist und nicht mehr frei, bis der Tod dich scheidet, kann er nicht verstehen.

Grusche erblickt ihn und grüßt.

SIMON finster: Ich möchte der Frau mitteilen, daß ich bereit zum Schwören bin. Der Vater vom Kind bin ich.

GRUSCHE leise: Es ist recht, Simon.

SIMON Zugleich möchte ich mitteilen, daß ich dadurch zu nichts verpflichtet bin und die Frau auch nicht.

DIE KÖCHIN Das ist unnötig. Sie ist verheiratet, das weißt du.

SIMON Das ist ihre Sache und braucht nicht eingerieben zu werden.

Herein kommen zwei Panzerreiter.

PANZERREITER Wo ist der Richter? – Hat jemand den Richter gesehen?

GRUSCHE die sich abgewendet und ihr Gesicht bedeckt hat: Stell dich vor mich hin. Ich hätt nicht nach Nukha gehen dürfen. Wenn ich an den Panzerreiter hinlauf, den ich über den Kopf geschlagen hab. …

EINER DER PANZERREITER die das Kind gebracht haben, tritt vor: Der Richter ist nicht hier.

Die beiden Panzerreiter suchen weiter.

DIE KÖCHIN Hoffentlich ist nichts mit ihm passiert. Mit einem andern hast du weniger Aussichten, als ein Huhn Zähne im Mund hat.

Ein anderer Panzerreiter tritt auf.

DER PANZERREITER der nach dem Richter gefragt hat, meldet ihm: Da sind nur zwei alte Leute und ein Kind.



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