Der erste Single - Jesus, der Familienfeind by Hans Conrad Zander

Der erste Single - Jesus, der Familienfeind by Hans Conrad Zander

Autor:Hans Conrad Zander
Die sprache: deu
Format: mobi
Herausgeber: Gütersloher Verlagshaus
veröffentlicht: 2010-09-01T18:30:00+00:00


4. Kapitel

Lieber den Tod als die Familie: Skandal in Assisi

Ob Jesus wohl vor Freude gesungen hat, als er ausbrach aus der Heiligen Familie von Nazareth?

Überliefert ist es nicht. Glaubhaft ist es dennoch. Weil jener gesungen hat, der ihm glich wie kein Zweiter auf Erden: Franz von Assisi. »Alterum Christum« haben ihn seine Zeitgenossen genannt, »den zweiten Christus«. Gesungen hat Franziskus vor überschwänglicher Freude, als er im kalten Monat Januar 1206, im Alter von vierundzwanzig Jahren, nackt seiner Familie in Assisi entlief.

In deutschen Büchern, von Walter Dirks bis Adolf Holl, wird Franz von Assisi gern als Herz-Jesu-Marx porträtiert. Als heiliger Bannerträger der Armen und Entrechteten im Aufstand gegen die soziale Herzlosigkeit der beginnenden Geldwirtschaft im 13. Jahrhundert. Das ist politisch schön gefühlt. Oder als Herz-Jesu-Rousseau: als Wortführer im Kampf aller guten Menschen gegen »die Gesellschaft«. Das ist politisch noch schöner gefühlt.

Aber es ist nicht wahr.

Franz ist immerhin vierundvierzig Jahre alt geworden und sein Lebenslauf war bewegt. Doch nur ein einziges Mal in all den Jahren hat er Revolution gemacht. Da allerdings hat dieser zweite Christus genau die gleiche Revolution gemacht wie der erste. Die einzig radikale Revolution. Mit seiner Familie hat Franziskus gebrochen. So spektakulär als möglich.

»Tutta Assisi«, die gesamte Bevölkerung von Assisi, schreibt der Franziskaner Bonaventura, sei zusammengelaufen auf der Piazza Santa Maria Maggiore, um diese Sensation zu erleben: den totalen Streit zwischen dem Tuchhändler Bernardone und seinem Sohn Francesco.

Als Gerichtsherr, mit Mitra und Krummstab feierlich geschmückt, sitzt vor dem Portal seines Palazzos Bischof Guido von Assisi. Das ist erstaunlich. Vater Bernardone hat seinen widerspenstigen Sohn nämlich gar nicht vor dem Bischof verklagt, sondern vor den Konsuln, den städtischen Behörden im Palazzo Communale. Wegen Ungehorsams und Diebstahls begangen am eigenen Vater. Auf Dergleichen standen schwere Strafen. Warum sitzt jetzt plötzlich der Bischof über Vater und Sohn zu Gericht?

In seinem masslosen Zorn hatte Papa Bernardone eines nicht bedacht. Wohl hatte ihm sein Sohn einen teuren Ballen Tuch sowie ein Pferd gestohlen. Aber für wen hatte er denn gestohlen? Nicht für sich selbst. Und nicht, wie alle Christenheit heute gern glauben möchte, für die Armen. Für die schon gar nicht. Der junge Revolutionär Francesco Bernardone hatte gestohlen für die katholische Kirche! Das ist das Gegenteil.

Den Ballen Tuch samt Pferd hatte Franz wohl verkauft, das Geld aber nicht behalten, sondern dem Priester Pietro gebracht, hinab in jenes Kirchlein von San Damiano, wo Jesus kurz zuvor vom Kruzifix herab zu ihm gesprochen hatte: »Franz, siehst du nicht, wie mein Haus zerfällt? Geh und stelle es wieder her!«

Das Kirchlein von San Damiano renovieren, nichts anderes wollte Franz mit dem Geld, das er seinem Vater gestohlen hatte. Gewiss ein schönes, aber nach meiner Meinung kein sozialrevolutionäres Unterfangen.

Aus klammer Angst vor dem alten Bernardone wollte der Priester das Geld gar nicht annehmen. Immerhin sah er, dass der junge Bernardone vor dem alten noch viel mehr Angst hatte als er selbst. Aus lauter Mitleid wies er ihm ein sicheres Versteck zu.

»Einen ganzen Monat lang«, fährt Ceprano fort, »hielt er sich da verborgen. Nur jemand aus dem väterlichen Hause



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