Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht by Matthias Horx

Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht by Matthias Horx

Autor:Matthias Horx
Die sprache: de
Format: mobi, epub
Herausgeber: Deutsche Verlags-Anstalt <München>
veröffentlicht: 2011-11-09T23:00:00+00:00


Die Lehren des Mangels

Versetzen wir uns um 200 Jahre in die Vergangenheit, an den Beginn der industriellen Epoche. Die Aufklärung hatte das geistige Klima zugunsten der Vernunft und der Wissenschaften verändert. Die Französische Revolution ließ Ideen von Freiheit und Gerechtigkeit durch die ganze Welt irrlichtern. Napoleons Feldzüge hinterließen in vielen Ländern bis dahin unbekannte Freiheits- und Eigentumsrechte sowie den Kern der Gewerbefreiheit, niedergelegt im »Code Napoléon«.

Neue agrarische Techniken brachten Verbesserungen in der Versorgung der Menschen. Die Bevölkerung wuchs schneller denn je. Aber etwas war ganz besonders knapp: Kleidung. Im Ausklang der damals herrschenden Kleinen Eiszeit waren die Winter lang, die Sommer oft kühl und feucht. Auf den unbefestigten Wegen durch Europa kam man nur mühsam voran, und obwohl das Handelsvolumen wuchs, gab es wenige Transportkapazitäten. Viele Menschen waren dennoch ständig unterwegs, um Handel zu treiben oder um anderswo ein günstigeres Schicksal zu finden – die ersten Manufakturen, die neuen Eisen- und Kohleregionen, boten die Chance auf ein Einkommen.

In dieser Welt war Kleidung ein entscheidendes »Lebensmittel«. Man lebte mit Kälte und Feuchtigkeit. Selbst die Reichen und Adeligen hatten Probleme, ihre vielen Zimmer warm zu halten. Die Kleidung bestand nur selten aus rarem Leder, meist aus Filz und Leinen oder aus Schafswolle, Materialien, die sich leicht mit Flüssigkeit vollsogen, durch Schweiß steif und übelriechend wurden und verdarben. Man kann sich den muffigen Geruch gut vorstellen, der in allen Stuben und Kammern hing.

Aus den überseeischen Regionen drang in immer größeren Mengen ein neuer Rohstoff auf den Markt, der die Kleidungsproduktion radikal verändern sollte. Er war saugfähiger, »trockener« und trug sich angenehmer auf der Haut. Er war schneller anzubauen und leichter zu verarbeiten: die Baumwolle. Der Triumph der Baumwolle begann im Jahr 1764 im englischen Lancashire mit der Erfindung der »Spinning Jenny«, einer Spinnmaschine, deren Antrieb noch mit Händen und Füßen erfolgte, die aber bereits acht Spindeln antreiben konnte. Das war der Durchbruch zur Mechanisierung der mühsamen und zeitintensiven Textilproduktion, die bis dahin überwiegend Hausfrauenarbeit gewesen war. Noch einmal befördert wurde der Prozess der Mechanisierung durch eine andere epochale Erfindung, der Dampfmaschine, die bald auch in der Textilproduktion Verwendung fand.

Die Symbiose von Dampfkraft und Mechanisierung mit dem neuen Rohstoff revolutionierte die Kleiderherstellung – und führte zum ersten Konsum-Massenmarkt der Geschichte. Während zwischen den Kolonien und den europäischen Mutterländern nun Dampfschiffe mit riesigen Baumwollballen (aufgrund der Sklavenwirtschaft war der Rohstoff billig) verkehrten, sanken die Preise für Baumwollgarn zwischen 1780 und 1830 um 90 Prozent. Der Textilsektor wurde zum Produktivitätstreiber erst der britischen, dann der europäischen Wirtschaft und trug 1830 bereits zu 25 Prozent zu Wachstum und Sozialprodukt bei.

Die industrielle Textilproduktion steigerte die Lebensqualität der Menschen in einem ungeheuren Ausmaß. Sie verwandelte die Bekleidungsfrage in eine Modefrage, machte Tausende von Stoffarten, Farben, Schnitten möglich. »Es ist das billige Tuch, die billige Baumwolle und der preiswerte Stoff für die Massen, der den typischen Ausdruck der kapitalistischen Produktion bildet«, schrieb der Ökonom und Zyklen-Theoretiker Joseph Schumpeter. »Die kapitalistische Leistung besteht nicht darin, mehr Seidenstrümpfe für Königinnen herzustellen, sondern darin, sie für jedes anständige, fleißige Fabrikmädchen erschwinglich zu machen.«2

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