Dein kaltes Herz: Thriller (German Edition) by Bolton Sharon

Dein kaltes Herz: Thriller (German Edition) by Bolton Sharon

Autor:Bolton, Sharon [Bolton, Sharon]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Goldmann Verlag
veröffentlicht: 2020-09-21T00:00:00+00:00


48

Shane

Shane wacht auf und findet sich in einem Bett wieder. Das ist ungewöhnlich, normalerweise erwacht er in einem Ladeneingang oder im Wartehäuschen einer Bushaltestelle. Noch öfter allerdings auf einer Parkbank. Den anderen Stadtstreichern ist er unheimlich, und er hat gelernt, ihnen aus dem Weg zu gehen, wenn sie wach sind. Aber wenn sie schlafen, ist das etwas anderes. Er sieht ihnen gern beim Schlafen zu .

Verwirrt liegt er im Dunkeln und versucht, sich zu erinnern, wie er hierhergekommen ist, welcher Tag (oder welche Nacht) es sein könnte und wo er ist. Er weiß noch, dass er auf dem Uferweg von der Victoria Bridge aus in Richtung der Colleges gegangen ist und unter die Persenningen der Stechkähne am Magdalen-Street-Kai geschaut hat. In letzter Zeit haben sich die Obdachlosen der Stadt angewöhnt, in den Kähnen zu übernachten, vor allem, weil manche faulen Angestellten der Bootsverleiher die Kissen da nachts drin liegen lassen.

Er erinnert sich, dass er in einem davon die alte Frau gefunden hat, zusammengekrümmt, die Arme um ihren Einkaufstrolley geschlungen und die Mütze bis über die Augen heruntergezogen wie eine Schlafmaske. Er hat sie eine Weile betrachtet, bis ihr Schnarchen verstummte und er dachte, sie wacht vielleicht auf. Sie wachen oft auf, wenn er sie beobachtet, als könnten sie ihn spüren.

Nach dem Kai ist er über das Jesus Green und dann zum Common gegangen.

Ihm ist heiß, was nicht weiter verwunderlich ist, denn er ist ja noch angezogen. Sein schwarzes Sweatshirt ist schweißfeucht, und seine Jeans kleben an ihm. Rasch schiebt er die Decke weg und setzt die Füße auf die Dielen. Seine Schuhe stehen neben dem Bett. Zwischen seinen Schulterblättern schmerzt es, und als er nach hinten greift, kann er das Brennen einer frischen Wunde spüren. Er hat sich wieder geritzt.

Auch seine Hände tun weh, und er kann Blut daran kleben fühlen. Das kommt ihm irgendwie verkehrt vor – normalerweise schneidet er sich nicht dort, wo man die Wunde sieht. Jäh taucht ein Bild von Glasscherben in seinem Gedächtnis auf, davon, wie er sich durch ein schmales Fenster quetscht, und seine Angst wächst. Er schlägt keine Fensterscheiben ein, er hinterlässt keine Spuren, er kommt und geht wie ein Geist. Nur tut er das jetzt anscheinend nicht mehr. Alles ist in Auflösung.

Er schnuppert und kann eine vertraue Mischung aus Möbelpolitur, Weichspüler und Kokosshampoo in der Luft riechen. Natürlich, er ist in Felicitys Haus, er hat in ihrem Gästezimmer geschlafen.

Behutsam – er weiß, welche Dielen knarren und welche nicht – geht er zum Fenster. Ihr Auto steht draußen. Er lässt den Vorhang wieder fallen und geht zum Bett zurück. Dort zieht er die Decke zurecht und schüttelt das Kissen auf. Alles sieht so aus wie vorhin, als er hereingekommen ist, aber er weiß, jetzt wird das Bett nach Straße riechen, und sie wird merken, dass er wieder hier war. Sie merkt es immer.

Er verlässt das Zimmer und geht zur Treppe. Ein paar von den Stufen knarren, aber er hat gelernt, die Füße ganz außen aufzusetzen. Als er unten ankommt, hört er eine Kirchturmuhr vier schlagen.



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