Das Weimarer Fürstenhaus by Günzel Klaus

Das Weimarer Fürstenhaus by Günzel Klaus

Autor:Günzel, Klaus [Günzel, Klaus]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: PIPER
veröffentlicht: 2017-03-22T23:00:00+00:00


4. Kapitel

Die Fürstin aus dem Osten – Carl Friedrich und Maria Pawlowna

Die ersten Vorboten, die Weimarer Bürger von ihrer jungen Erbprinzessin zu Gesicht bekamen, waren die kleinen zottigen Kosakenpferde, die achtzig Planwagen durch die staunende Stadt zogen. So eine exotische Prozession hatten die braven Residenzler noch nie gesehen, die wußten, daß hier die Aussteuer der Prinzessin, die einmal ihre Herrin sein würde, als kostbares Frachtgut durch die Straßen schwankte. Die transportierten Reichtümer waren so immens, daß der russische Zoll seine Bedenken angemeldet hatte, obwohl es sich doch um das Eigentum einer Angehörigen der Zarenfamilie handelte! Es bedurfte der persönlichen Intervention der Zarin-Mutter, um diesen Schätzen den Weg über die Grenze zu öffnen.

Von solchen Schwierigkeiten ahnten die Weimarer natürlich nichts, aber sie hätten sich kaum darüber gewundert, wenn eine Kunde davon in die Öffentlichkeit gedrungen wäre. Denn kurz nach der Ankunft der russischen Karawane wurden die mitgebrachten Besitztümer in nicht weniger als zehn Sälen des Fürstenhauses ausgestellt, so daß sie jedermann besichtigen konnte. Der Sozialneid scheint damals noch nicht weit verbreitet gewesen zu sein, sonst hätte man sich bei der öffentlichen Präsentation der märchenhaften Mitgift etwas mehr Zurückhaltung auferlegt. Aber es überwog wohl die naive Freude des Publikums über die glänzende Partie, die dem Erbprinzen Carl Friedrich von Sachsen-Weimar da sichtlich beschieden war. Soviel stand fest: seine ihm eben erst angetraute Gemahlin, die Großfürstin Maria Pawlowna von Rußland, war so reich, wie es sonst nur orientalische Fabelwesen zu sein pflegten. Das Journal des Luxus und der Moden brauchte jedenfalls neun Seiten, um die Schau im Fürstenhaus detailliert zu beschreiben.

Porzellan-, Gold- und Silber-Service waren zu sehen, Möbel und Tapeten, Gobelins, Spiegel und Kronleuchter, Vasen, Gläser und Samoware, Teppiche, Stoffe und die Garderobe der hohen Dame, sogar deren »Thronbett« und Leibwäsche. Die vollständige Ausstattung einer russisch-orthodoxen Kapelle war von der Newa an die Ilm befördert worden, denn der Weimarer Hof hatte im Ehevertrag der Prinzessin zugestehen müssen, daß sie ihren Glauben behalten durfte. Die Kinder, die aus der Verbindung mit Carl Friedrich hervorgehen würden, sollten allerdings in der evangelisch-lutherischen Konfession erzogen werden. Dabei war der Ausstellung nicht einmal zu entnehmen, daß die Prinzessin und spätere Herzogin mit regelmäßigen finanziellen Zuwendungen durch das Zarenhaus rechnen durfte, bis an ihr Lebensende. Fürwahr: eine Glücksfee schien unterwegs nach Weimar zu sein, und vielleicht hatten nicht nur die Ernestiner, sondern auch ihre Untertanen etwas davon!

War es ein Wunder, daß sie alle dem Tag entgegenfieberten, an dem die junge Fürstin höchstpersönlich in ihrer Mitte erscheinen sollte? Der Herzog Carl August ritt dem Paar bis an die polnische Grenze entgegen, die Herzogin Louise nebst den anderen Familienangehörigen warteten in Naumburg. Dort lernte Maria Pawlowna, bei einer ersten Begrüßung, ihre neuen Verwandten kennen. Bei Roßla, an der Grenze des Herzogtums Sachsen-Weimar, stieg das Erbprinzenpaar in eine Galakalesche um, die sechs silbern beschlagene Isabellenpferde zogen. Dann begann, am frühen Nachmittag des 9. November 1804, die Via triumphalis zur Residenz, gesäumt von Landleuten in bunten Trachten, weißgekleideten Ehrenjungfrauen und neugierigen Kindern, die ins Innere der immer wieder anhaltenden Kutsche kleine Geschenke reichten.



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