Das Sonnenbuch: Bericht vom Anfang einer neuen Zukunft by Robert Jungk

Autor:Robert Jungk [Jungk, Robert]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: OTTO MÜLLER VERLAG
veröffentlicht: 2013-01-14T23:00:00+00:00

4.

Nicht erwartet hatten die Gründer der NMSEA, daß Lehrer und Schulen sich so sehr für die Sonne und ihre Nutzbarmachung interessieren und damit eine Erneuerung des Schulsystems einleiten würden. Sie konnten ebensowenig ahnen, daß die Fragen des „Rechts auf Sonne“ die Anteilnahme der politisch meist gleichgültigen Bürger von New Mexico an der Arbeit ihrer parlamentarischen Vertretung drastisch erhöhen würde. Und sie hatten am allerwenigsten vorhergesehen, daß die „Sonnenbewegung“ eine Sache der Frauen werden würde.

Diese gesellschaftlichen Nebenwirkungen der Beschäftigung mit der Sonne sind so stark und eindeutig, daß ich mir aus ihnen das erstaunliche Selbstvertrauen der „Flöhe“ erkläre. Noch sind ihnen die „Dinosaurier“ weit überlegen, aber sie können die von ihnen Abhängigen nicht mehr wirklich motivieren. Geld? Das reicht nicht aus im Zeitalter der Inflation. Arbeitsplätze? Die sind rar geworden und immer gefährdeter. Sinn? Den können nur die wenigsten der üblichen Jobs geben.

Viele politische Bewegungen behaupten, sie hätten die Jugend für sich. Meist stimmt das nicht, und zur Zeit hat keine Partei ein Zukunftsprogramm, das die heranwachsende Generation mitreißen könnte. Umso aufregender ist es zu sehen, mit welcher Anteilnahme Kinder, Schüler und Studenten bei den „Sonnenkursen“ mitmachen, die auf Anregung der NMSEA in den Schulen abgehalten werden.

Hier ein paar Notizen aus meinem Reisetagebuch: Albiquiu: Winziges Nest unweit der „Ghost Farm“. In der Elementarschule probieren die Sieben- und Achtjährigen, wie schnell das Wasser in leeren Konservenbüchsen warm wird, wenn man sie so aufstellt, daß sie stets die größtmögliche Einstrahlung erhalten. Der nächste Schritt: sie haben aus Pappkarton ein Haus gebaut und versuchen nun herauszufinden, wie es ausgerichtet werden sollte, um möglichst viel Sonne zu erhalten. Vonnie Owen, die Lehrerin, erzählt, wie sie mit Hilfe eines schattenwerfenden Stocks, der in die Mitte eines großen Blatts Packpapier gepflanzt wird, den Sommer- und den Winterpfad der Sonne notiert haben. Die Größeren können schon energiespeichernde Wände herstellen. Einige von ihnen entwerfen bereits brauchbare Grundrisse für Sonnenhäuser.

Martinez – Elementarschule in Santa Fe: Betty Graham, Science Teacher, erzählt, daß sie in ihrer fünfzehnjährigen Schulpraxis noch nie so viel Interesse für ihren Unterricht gefunden hat wie seit Beginn ihrer „solar courses“. Sie hat mit ihren Schülern eine Sonnentrocknungs-Anlage für Obst gebaut. Die Kinder brachten die getrockneten Früchte nach Hause, begannen ihre Eltern zu interessieren. Die haben jetzt Geld gegeben, damit die Kinder ihre Schule „solarisieren“ können. Jetzt werden sie eine Kollektoranlage auf das Dach bauen.

Albuquerque: Fragte Gil, einen jungen Lehrer, weshalb seiner Ansicht nach so großes Interesse der Schüler für das Thema Sonne. Er war einer der 83 Lehrer, die kürzlich von der NMSEA zu vier Vorbereitungskursen eingeladen worden waren. Seine Ansicht: Es gibt kaum etwas in der Außenwelt, von dessen Existenz die Kinder so früh etwas erfahren wie von der Sonne. Sie fühlen sie schon als Babies auf der Haut, sie sehen sie jeden Morgen beim Erwachen. Sie ist nicht etwas Fremdes, sondern so eng mit jedem von ihnen verbunden wie ihre Mutter. Und sie ist unzerstörbar. Alles was sie um sich herum sehen, wird verändert. Die Sonne bleibt. Sie wollen mehr von ihr wissen. Sie wollen mit ihr leben und arbeiten.

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