Das schweigende Mädchen Ulrike Maria Stuart • Zwei Theaterstücke by Elfriede Jelinek

Das schweigende Mädchen  Ulrike Maria Stuart • Zwei Theaterstücke by Elfriede Jelinek

Autor:Elfriede Jelinek [Jelinek, Elfriede]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783644548718
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2015-05-29T16:00:00+00:00


Da muß irgendwas zurückgeblieben sein im Körper, Spiegel, bitte klären, wenn ich Ihnen hier alles schon auf dem mit Teflon beschichteten, vollkommen unempfindlichen Tablett, das Sie sind und von dem immer alles runterfällt, das ein andrer draufgelegt hat, weil es einfach nicht hält, serviere, alles auf Ihrem beschichteten Spiegelglas, das komplett durchsichtig wäre, wenn man nicht etwas draufgeklebt hätte, wenn wir selbst nicht, und zwar zu vielen!, an Ihnen dermaßen drankleben würden, nur damit uns jemand etwas sagt, das dann nicht stimmt, so, bitte klären Sie das für mich, wenigstens das, lieber Spiegel, sonst verstehe ich nicht, wieso die Jungfrau Tampons mitgenommen hat, das viele Geld aber vergaß. Vielleicht war sie selbst zu mitgenommen, um daran zu denken, daß man Geld braucht? Soll sie sich auch umbringen, hatte sie das vor? Abgemacht? Wenn Sie es nicht wissen, wer weiß es dann auch nicht? Na ja. Nein. Ja, und die tanzende Schar der Gonaden muß in der Höhle bleiben und lebendige Schatten werfen, wären sie nur da, hätten wir sie nur noch, also nur ist hier irgendwie falsch, habe ich das Gefühl, das mit der Körperhöhle stimmt nicht; die Eierstöcke sind nun schon so lange weg, und die Gonaden, die Keimzellen der Menschen, wodurch sie überhaupt erst Menschen werden, treffen nie, treffen sich nie, wie parallele Linien, sie treffen einander einfach nie, diesfalls nicht einmal in der Unendlichkeit, die Schatten an der Wand, die lernen einander nicht kennen, die sind aber auch zu unruhig heute. Ich habe keine Ahnung, wieso, denn sie würden sich doch ohnedies nie treffen. Wir würden ja treffen, gern sogar, wenn das echte Menschen wären, wir haben sogar schon oft getroffen, wenn wir auf sie gezielt haben, aber diese Schatten, die erwischt man einfach nicht, Mädchen sind fürs Werfen nicht begabt und fürs Fangen auch nicht. Sie fürchten sich vor dem Anprall, na, dieses Mädchen nicht. Die haut jedem in die Fresse, da kennt die nichts. Wenn das kein Mädchen ist, dann weiß ich nicht, wer soll denn die Heldensöhne hervorbringen? Da meldet sich doch eine glatt freiwillig. Aber sie weiß auch nichts.

Der Prophet:

Meist ist es ja umgekehrt, ich meine, meist erzähle ich in die umgekehrte Richtung hinein, dieses Mädchen jedoch dreht den Lauf der Welt wieder um, schwierig für den Propheten, der jetzt, und auch jetzt ist ja relativ, nicht mehr weiß, wo vorn und hinten ist, er weiß nur: Selig sind die Armen, aber er weiß nicht mehr, warum. Selig sind die, die jetzt hungern, denn sie sollen satt werden, ich weiß nicht, warum. Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und ja, die, die andre hassen, sind auch immer ganz selig deswegen. Wenn sie euch ausstoßen und schmähen und verwerfen eure Namen als böse um dieser beiden Jungfrauensöhne willen, und ich weiß nicht, warum, na, dann geht halt freiwillig. Ich weiß nur, das Mädchen springt nicht vor Freude, es hat ja grade seine Söhne verloren, es will sich selbst umbringen, vor einen fahrenden Zug werfen, aber statt dessen fährt es zum Bahnhof, nicht ganz falsch, denn dort fahren sie ja, die Züge, denen man sich oder die Verspätung vorwirft.



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