Das neue Abenteuer 400 - Pique Dame by Alexander Puschkin

Das neue Abenteuer 400 - Pique Dame by Alexander Puschkin

Autor:Alexander Puschkin [Puschkin, Alexander]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Verlag Neues Leben, Berlin
veröffentlicht: 1980-04-14T16:00:00+00:00


„Erschrecken Sie nicht, um Himmels willen, erschrecken Sie nicht!“ sagte er mit eindringlicher und leiser Stimme. „Ich habe nicht die Absicht, Ihnen Schaden zuzufügen, ich bin gekommen, Sie um eine Gnade anzuflehen.“

Die Alte sah ihn schweigend an und schien ihn nicht zu hören. Hermann kam auf den Gedanken, daß sie taub sei, beugte sich unmittelbar an ihr Ohr und wiederholte dasselbe noch einmal. Die Alte schwieg weiterhin.

„Sie können mich“, fuhr Hermann fort, „für mein ganzes Leben glücklich machen, und dies kostet Sie nichts: Ich weiß, daß Sie hintereinander drei Karten erraten können...“

Hermann verstummte. Die Gräfin, so schien es, hatte begriffen, was man von ihr wollte; sie schien nach Worten für ihre Antwort zu suchen.

„Das war ein Scherz“, sagte sie schließlich. „Ich schwöre es Ihnen! Das war ein Scherz!“

„Damit scherzt man nicht“, entgegnete Hermann ärgerlich. „Erinnern Sie sich an Tschaplizki, dem Sie geholfen haben zu gewinnen.“

Die Gräfin war sichtlich bestürzt. Ihre Züge drückten eine heftige innere Erregung aus, doch bald verfiel sie wieder in ihre vorherige Lethargie.

„Können Sie mir“, fuhr Hermann fort, „diese drei sicheren Karten nennen?“

Die Gräfin schwieg; Hermann fuhr fort: „Für wen hüten Sie ihr Geheimnis? Für die Enkel? Die sind auch ohnedies reich; zudem kennen sie den Wert des Geldes nicht. Einem Verschwender helfen Ihre drei Karten nicht. Wer das väterliche Erbe nicht zu hüten versteht, stirbt in Armut trotz aller noch so dämonischen Bemühungen. Ich bin kein Verschwender, ich kenne den Wert des Geldes. Ihre drei Karten sind bei mir gut aufgehoben. Nun...!“

Er hielt inne und erwartete zitternd ihre Antwort. Die Gräfin schwieg; Hermann kniete nieder.

„Wenn Ihr Herz jemals das Gefühl der Liebe empfunden hat“, sagte er „wenn Sie sich dieser Wonnen erinnern, wenn Sie nur ein einziges Mal beim Weinen Ihres neugeborenen Sohnes gelächelt haben, wenn sich jemals etwas Menschliches in Ihrer Brust geregt hat, so beschwöre ich Sie bei den Gefühlen der Gattin, der Geliebten, der Mutter — bei allem, was heilig ist im Leben —, schlagen Sie mir meine Bitte nicht ab! Entdecken Sie mir Ihr Geheimnis! Was liegt Ihnen daran?... Vielleicht ist es mit einer entsetzlichen Sünde verbunden, mit dem Verlust der ewigen Seligkeit, mit einem Teufelspakt... Überlegen Sie: Sie sind alt; Sie haben nicht mehr lange zu leben — ich bin bereit, Ihre Sünden auf mich zu nehmen. Entdecken Sie mir nur Ihr Geheimnis. Bedenken Sie, daß sich das Glück eines Menschen in Ihren Händen befindet, daß nicht nur ich, sondern auch meine Kinder, meine Enkel und Urenkel Ihr Andenken segnen und verehren werden wie ein Heiligtum...“

Die Alte antwortete mit keinem Wort.

Hermann erhob sich.

„Alte Hexe!“ sagte er und biß die Zähne zusammen. „So werde ich dich zwingen zu antworten...“

Mit diesen Worten zog er eine Pistole aus der Tasche.

Beim Anblick der Pistole geriet die Gräfin zum zweitenmal in heftige Erregung. Sie wackelte mit dem Kopfe und hob den Arm hoch, als wollte sie sich vor dem Schuß schützen... Dann rollte sie auf den Rücken... und blieb unbeweglich liegen.

„Hören Sie mit der Kinderei auf“, sagte Hermann und ergriff ihre Hand. „Ich frage Sie zum letztenmal: Wollen Sie mir Ihre drei Karten nennen? Ja oder nein?“

Die Gräfin antwortete nicht.



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