Das Knast-Dilemma by Maelicke Bernd
Autor:Maelicke, Bernd [Maelicke, Bernd]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: C. Bertelsmann
veröffentlicht: 2015-04-26T16:00:00+00:00
Turning Points (2)
In meinem Leben gibt es – nach der Rückkehr zu meiner Mutter im Sommer 1953 – einen zweiten Wendepunkt, er ereignete sich am 5. Oktober 1961.
Es war ein sonnig-warmer Tag im Spätsommer 1961. Ich ging in die Oberprima des Hans-Thoma-Gymnasiums in Lörrach, wo meine Familie und ich seit 1955 wohnten. Im Frühjahr des nächsten Jahres würde ich Abitur machen und dann in Freiburg Jura studieren.
In den Sommerferien war ich mit meiner Clique täglich im Schwimmbad gewesen, da war sie mir im Kreis ihrer Freundinnen aufgefallen. Sie war fünfzehn und strahlte auf mich eine unglaubliche Anziehungskraft aus. Sie ging ebenfalls aufs Hans-Thoma-Gymnasium, in die Untersekunda, unsere Klassenzimmer lagen nebeneinander. So sahen wir uns fast täglich und lächelten uns verstohlen zu.
Ich wusste, dass sie Hannelore hieß, und hatte herausbekommen, dass sie immer donnerstags um halb zwei in Lörrach-Stetten in der Nähe ihrer elterlichen Wohnung in die Trambahn Nummer 6 stieg, um zur Schule zu fahren. Ich selbst war stolzer Besitzer einer recht alten Vespa 50, die mit dem Scheinwerfer auf dem Kotflügel.
An jenem 5. Oktober 1961 fuhr ich kurz vor halb zwei zur besagten Tramhaltestelle und sah Hannelore bereits von Weitem. Ich machte direkt neben ihr eine Vollbremsung und fragte, ob sie zur Schule mitfahren wolle. Sie nickte nur kurz, schwang sich beherzt auf den Rücksitz, und es begann eine gemeinsame Reise, die bis heute andauert.
Sie werden sagen: »Eine Schülerliebe, was soll das in einem Buch über Strafvollzug und Resozialisierung?« Die Pointe der Geschichte fand drei Wochen später statt. Wie damals üblich, wurde man als Freund recht frühzeitig den Eltern seiner Freundin vorgestellt. Hannelore nahm mich also mit zu sich nach Hause. Ich lernte ihre sehr sympathische Mutter Klara kennen und ihren Vater Kurt Eickmeier, einen fast zwei Meter großen, eindrucksvollen Mann, zwanzig Jahre älter als ich. Er hatte einen Beruf, von dem ich noch nie etwas gehört hatte: Er war Bewährungshelfer. Es sollte sich herausstellen, dass Kurt Eickmeier einer der ersten Bewährungshelfer in Deutschland überhaupt war. Er hat das Berufsbild und seine Inhalte nach dem Krieg entscheidend mitgeprägt.
Ich war fest entschlossen, Jurist zu werden. Mein Vorbild war der kanadische Schauspieler Raymond Burr, der nach meiner Erinnerung bereits im Schwarz-Weiß-Fernsehen der Fünfzigerjahre eindrucksvoll den »Anwalt der Gerechtigkeit« im Rollstuhl in New York spielte. Aber die Täter als Personen hatten mich nie interessiert. Mir ging es um Gerechtigkeit als Prinzip, nicht um etwas so offensichtlich Mühsames wie die Wiedereingliederung der Täter in die Gesellschaft, mit dem sich Kurt Eickmeier beschäftigte. Der immer enger werdende Kontakt zu ihm war es, der bei mir allmählich ein Umdenken bewirkte.
An jenem 5. Oktober 1961 hatte ich, ohne es zu wissen, die Frau meines Lebens gefunden, aber auch meine berufliche Bestimmung, denn in den folgenden Monaten und Jahren lernte ich im Alltag der Familie Eickmeier die Aufgaben und die Arbeitsfelder der Resozialisierung konkret anhand von vielen Einzelschicksalen kennen. Der juristische und kriminologische Überbau folgte dann später während des Studiums.
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