Darkside - Die Schattenwelt by Bastei Lübbe

Darkside - Die Schattenwelt by Bastei Lübbe

Autor:Bastei Lübbe
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Bastei Lübbe
veröffentlicht: 2009-12-31T16:00:00+00:00


13

Die Kutsche glitt sanft dahin. Sie verließ die Hauptstraße und die Pferde trabten nach Norden. Jonathans Verstand arbeitete fieberhaft, und er sehnte sich danach, mehr über seine Mutter zu erfahren. Zweimal versuchte er eine Frage zu stellen, doch beide Male brachte ihn Carnegie knurrend zum Schweigen. Es schien, als müsse er mit seinen Fragen warten. Stattdessen starrte er aus dem Fenster und betrachtete die Umgebung. Um sie herum wirkten die Straßen zunehmend verlassener, die Armut und der Verfall blieben jedoch allgegenwärtig. Am Straßenrand rotteten sich einige Kinder in zerlumpter Kleidung zusammen. Sie liefen neben der Kutsche her, streckten ihre Hände aus und bettelten um Geld. Gelegentlich erhaschte Jonathan einen Blick auf ein brennendes Haus oder einen regungslosen Körper, der in einer der Gassen auf der Erde lag. Die Kutsche fuhr unbeirrt weiter.

Schließlich wurden die Straßen breiter und große Bäume säumten ihren Rand. Es waren die ersten Bäume, die Jonathan in Darkside sah. Der Wind hatte aufgefrischt und welke braune Blätter raschelten unruhig in der Brise. Die dichten Reihen der Häuser lichteten sich, und hinter hohen Hecken und Zäunen tauchten luxuriöse Herrenhäuser auf. Die Bewohner dieser Gegend schienen sehr wohlhabend zu sein.

Carnegie bemerkte Jonathans neugierigen Gesichtsausdruck.

»Wir sind in Savage Row. Hier leben die reichsten Leute von Darkside. Und natürlich auch Luther.«

Carnegie klopfte dem Fahrer auf den Rücken. Er tat dies etwas zu kraftvoll für eine freundschaftliche Geste. Luther kippte vornüber, riss an den Zügeln und brachte die Kutsche zum Stehen. Wütend drehte er sich um.

»Du solltest mich nicht stoßen, Hundegesicht. Wenn du so weitermachst, schaffst du es nicht bis zu Vendetta.«

Der bullige Wermensch lachte. »Blödsinn! Wir sind fast da. Fahr weiter. Du willst ihn doch nicht warten lassen, oder?«

Luther bedachte ihn mit einem verächtlichen Blick und trieb widerwillig die Pferde an. Die Kutsche schlängelte sich zügig durch die kurvigen Straßen von Savage Row, und Jonathan bemerkte, dass der Weg schmaler und steiler wurde. Sie hatten die Herrenhäuser hinter sich gelassen. Zu beiden Seiten der Straße bildeten hoch aufragende Bäume ein finsteres Spalier. Die Luft wurde kälter und Jonathan legte sich eine Decke über die Beine. Carnegie lächelte ihn grimmig an und schwieg. Er wirkte angespannt.

Die Straße wurde abrupt wieder flacher und mündete in einer breiten Allee. Die Bäume waren nun so hoch, dass sie die blasse Sonne nahezu vollständig verdeckten. Nichts bewegte sich und außer dem Klappern der Pferdehufe auf den Pflastersteinen war kein Geräusch zu hören. Die Allee führte zu einem imposanten Steintor, um das sich der Griff der grünen Efeuranken immer fester schloss. Hinter dem Tor erwartete sie Vendetta Heights.

Es war ein weitläufiger, Ehrfurcht einflößender Bau. Das alte Ziegelwerk war umhüllt von Moos und Schatten. Die Reihen seiner elegant geschwungenen Fenster blickten erhaben herab. Wasserspeier hockten auf der Dachtraufe und ihre steinernen Fratzen waren zu einem immerwährenden Grinsen verzogen. Am Ostflügel des Haupthauses wand sich ein schlanker Turm in den Himmel. Nirgendwo brannte Licht, sodass das Gebäude wie ein antikes Grabmal wirkte.

Als die Kutsche sich dem Tor näherte, tauchten zwei dunkle Gestalten auf dem Grundstück auf und öffneten es.



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