Darian Morgus - Drei Wege in die Hölle (German Edition) by Volker Ferkau

Darian Morgus - Drei Wege in die Hölle (German Edition) by Volker Ferkau

Autor:Volker Ferkau [Ferkau, Volker]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2017-04-10T22:00:00+00:00


11

Eva bäumte sich auf, starrte den Kopf unseres Bruders im Geiste an, fauchte und schoss wie ein Sprungteufel aus der Rückenlage empor, mich noch auf und in sich. Eine gewaltige Kraftanstrengung, die nur ein Vampir vollbringen konnte. Ich löste mich, fiel zurück und sprang wie ein Raubtier davon.

Eva und ich, beide nackt, huschten durch die Dunkelheit, während weiter entfernt mein Auto stand, dessen Standlicht auf uns wartete. Wir rasten wie Blitze über das Gras, durch Kakteenansammlungen und fanden einige Felsformationen, die wir erklommen. Ohne uns abzusprechen, hatten wir beide begriffen, dass wir um unser Leben liefen.

War ein Invisiblo genauso schnell wie wir?

Wieso waren wir ihm entkommen?

Glück? Virtutis fortuna comes!

Unsere weißen Körper glühten im Licht des Halbmondes, der über uns schien und alles in harte Schatten tauchte. Zikaden sangen ihr grelles Lied und der Duft von Wüste und sterbender Wärme umgab uns. Wir erklommen den Felsen, suchten nach Höhlen oder anderen Verstecken, blieben nicht still, sondern sausten durch die kalifornische Landschaft wie weiße Tiger. Wir waren Vampire auf der Flucht, jederzeit bereit, zuzuschlagen. Die Lust, die überstandene Gefahr und nicht zuletzt der maßlose Zorn über Roggs Tod, setzten Kräfte bei uns frei, die uns einem Tier ähnlicher machten als einem Zweibeiner.

Wer immer uns nun begegnete, war seines Lebens nicht mehr sicher. Unsere Bewegungen waren geschmeidig und unsere Sinne hell und sensibel wie fein gestimmte Gitarrensaiten. Ich spielte das Solo meines Lebens, vor dem sogar Steve Vai erblassen würde, kämpfte gegen den Teufel am Crossroad und würde gewinnen, denn dum spiro, spero – solange ich atme, hoffe ich!

Eva richtete sich auf, ihr Körper ein sensibler Muskel, ihre Leidenschaft noch nicht abgeklungen, glühende Augen und eine derart animalische Ausstrahlung, dass ich sie am liebsten an mich gedrückt hätte, nur um diesen wundervollen nackten Körper an meiner kalten Haut zu spüren, ihrem Herzklopfen zu lauschen. Sie atmete gleichmäßig und hockte sich hin, legte die Handflächen auf den Felsen und sah mich an.

»Roggs«, sagte sie dieses eine Wort.

»Ja«, gab ich zurück, mehr ging nicht.

»Wir sind schuld. Wir haben ihn alleine gelassen«, sagte sie und in ihrer Stimme schwangen Eiseskälte und singender Stahl.

Ich schwieg und hob witternd meinen Kopf.

Wo war der Invisiblo?

Näherte er sich uns?

Würde Eva vor mir gleich den Kopf verlieren, ohne dass ich mitbekam, wie es geschah?

Ich spürte Angst. Schlimmer als damals im Hangar IV, es war tiefe, existenzielle Angst. Erstaunlicherweise weniger um mich als um Eva. Ich wollte nicht, dass dieser makellose Körper verstümmelt wurde, wollte sie nicht verlieren, denn ich liebte sie noch immer. Liebte ihren Mut, ihre Leidenschaft, ihre Stärke. Ich würde mir keine Sterbliche nehmen, würde alles, was ich geplant hatte, nicht tun, denn sie war die Frau meines Lebens. Sie und ich gehörten zusammen, wir hatten dieselben Gene, dieselbe Geschichte und dieselbe Trauer.

»Ich liebe dich«, murmelte ich wie ein verliebter Jüngling.

Sie ging nicht darauf ein, sondern lugte über meine Schulter, als könne sie das Unsichtbare sehen. Auch in ihren Augen flackerte Furcht.

Der Invisiblo war unser Schicksal geworden.

Er war der personifizierte Tod, der jederzeit und ohne Vorankündigung zuschlagen konnte. Jetzt, später, irgendwann.



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