Damals warst du still by Christa von Bernuth

Damals warst du still by Christa von Bernuth

Autor:Christa von Bernuth
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: PeP eBooks
veröffentlicht: 2010-04-04T04:00:00+00:00


23

Mittwoch, 23. 7., 12.10 Uhr

»Ich möchte, dass du dich bei deinen Eltern bedankst«, sagte Fabian. Das hatte er gestern auch zu Sabine gesagt: Dass Kinder ihren Eltern dankbar sein müssten – egal, ob sie unter ihnen gelitten hatten oder nicht. David verstand diese Maxime nicht – seiner Ansicht nach gab es furchtbare Eltern, die sich an ihren Kindern schuldig gemacht hatten und die alles andere verdienten als Dank.

»Ich kann nicht«, weinte Helmut. David betrachtete ihn voller Verachtung: das dicke, fleckige Gesicht, das fettige Haar, die ungeschickten, plumpen Bewegungen. Helmut war der geborene Verlierer.

Serienmörder waren oft Verlierer. Oder sogar fast immer. In sexueller, sozialer, beruflicher Hinsicht. Das lernte man bereits auf der Polizeischule.

Die Luft war feucht und stickig wie in einem tropischen Land, es stank nach Schweißfüßen, und David wünschte sich weit weg von hier. Dies war erst der zweite Tag, er hatte noch mehr als die Hälfte der Zeit vor sich, und heute Nachmittag war er dran, seine Familie aufzustellen. Was würde Fabian mit ihm machen? Davids Herz begann zu klopfen, sein Adrenalinspiegel stieg, er fühlte sich wie kurz vor einem gefährlichen Zugriff. Er versuchte, ruhig und regelmäßig in den Bauch zu atmen, ein Trick aus dem Antistress-Training. Es gab keinen Grund zur Aufregung, er war ja glücklicherweise kein Schwächling voller Komplexe wie Helmut. Und er würde sich natürlich hüten, Fabian Futter zu geben für seine seltsamen Theorien über Eltern, Geschwister und Kinder. Andererseits konnte er auch nicht so tun, als sei alles prima zwischen ihm und seiner Familie, denn warum wäre er denn dann hier?

Er musste etwas erfinden. Irgendein Problem, das ihn nicht wirklich betraf, und er musste glaubwürdig dabei sein. Wenn Fabian misstrauisch wurde, schloss er ihn möglicherweise aus der Therapie aus, und dann war sein Auftrag für die MK 1 zu Ende. Er musste sich etwas ausdenken, und das musste hiebund stichfest sein.

»Deine Eltern haben dich auf die Welt gebracht, sie haben ihr Möglichstes getan, dich zu erziehen. Sie haben einen Anspruch auf deinen Dank, du weißt das. Diese Maxime gilt in absolut jedem Fall. Bedanke dich bei ihnen. Verbeuge dich vor ihren Leistungen, sonst wirst du niemals frei sein.«

Und sie standen immer noch auf ihren Positionen: Raschida als Großmutter, David als Vater, Sabine als Mutter, Hilmar als Helmut. Der echte Helmut, mutmaßte David, musste sich erst bei seinen Erzeugern bedanken, dann würde es Mittagessen geben.

Verstohlen sah er auf die Uhr, die er hier eigentlich gar nicht haben dürfte. Alle anderen hatten ihre Uhren an der Garderobe abgelegt. Aber er war nicht bereit gewesen, so viel Kontrolle abzugeben.

Sein Magen begann zu knurren. Immerhin konnte er diese Zeit, in der Fabian ausschließlich mit Helmut beschäftigt war, nutzen, um sich eine Familiengeschichte auszudenken.

Aber KHK Seiler hatte Recht, er konnte sich keine komplette Story zusammenfantasieren, das schaffte nicht einmal er. Er musste sich an der Wahrheit entlanghangeln, aber dabei nicht zu viel erzählen. Und vor allem nichts über sein Verhältnis zu Danae. Danae war seine kleine Schwester, sonst nichts, sie war kein Thema, sie durfte keins sein. Es ging ihr gut, sie verstanden sich prima, aus.



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