Coq 11 by Guillou

Coq 11 by Guillou

Autor:Guillou
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2014-02-05T05:00:00+00:00


Zwei Wochen später steckte Fregattenkapitän Owjetschin in einer äußerst verzwickten moralischen Klemme. Er sollte die Berichte über die Übungen der K 601 für die russische Flottenleitung zusammenfassen. Aus deren Sicht war die K 601 immer noch ein russisches U-Boot, auch wenn man das nicht laut sagte, solange der eigentliche Besitzer in der Nähe war.

Folglich wollte man die letzte Autonomka der K 601 vor der Übergabe auswerten. Offensichtlich konnte man das Manöver aus zwei extrem verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Kom­mandant Petrow hatte sich selbst übertroffen. Als er 1999 mit der Kursk ins Mittelmeer gefahren und die sechste amerikanische Flotte an der Nase herumgeführt hatte, war er für die größte Leistung des Jahres in der russischen U-Boot-Flotte ausgezeichnet worden. Danach hatte die Kursk einen Doppeladler in Rot und Silber am Turm geführt.

Das jüngste Manöver übertraf aber alle vorherigen. Allein das Spielchen mit der USS Alabama war aufsehenerregend. Lange Zeit hatten die Amerikaner im Nordatlantik einen technischen Vorsprung gehabt, ihr Sonarsystem war immer überlegen gewesen. Diesmal hatten sie keine Chance gehabt.

Doch dieser Triumph hatte Petrows Appetit oder Ehrgeiz nicht gestillt. Denn nach der USS Alabama hatte er in ein Wespennest gestochen, indem er absichtlich mitten in ein großes britisches Manöver hineingefahren war. Es gab keinen Anlass, das Log­buch anzuzweifeln. Petrow hatte den Briten ordentlich eins ausgewischt.

Der Scheinangriff auf den Marinestützpunkt Cork, Basis der an sich nicht allzu furchterregenden irischen Flotte, und der eventuelle Scheinangriff auf den großen und extrem gut bewachten britischen Marinestützpunkt Devonport, Heimathafen der vier strategischen Atom-U-Boote, waren von Anfang an geplant gewesen.

Es hatte allerdings niemand geahnt, dass die K 601 vorher mit den Briten vor Irland herumtollen und die Welt in Alarmbereitschaft versetzen würde. Petrow hatte die beiden Angriffe mit ruhiger Hand durchgeführt, aus der richtigen Entfernung und der richtigen Tiefe. Er wartete fünf Minuten, zeigte sein Periskop, simulierte den Angriff – die Computersimulationen funktionierten offenbar glänzend – und schlich sich leise davon. Bis hierhin war das Ganze fassbar.

Doch dann hatte er das Unfassbare unternommen. Vermutlich hatte außer seinen beiden Stellvertretern niemand an Bord kapiert, was vor sich gegangen war. Anstatt Irland noch einmal zu umrunden, indem er in den Atlantik hinausfuhr, wo sich die K 601 aufgrund ihrer enormen Tauchfähigkeiten sicher hätte bewegen können, war er durch das enge und flache Gewässer zwischen Irland und Großbritannien zurückgefahren. Das hatte vier Tage bei höchster Bereitschaft und niedrigster Geschwindigkeit zur Folge. Und es hatte bedeutet, dass man selten tiefer als hundert Meter hatte tauchen können.

Als sie schließlich die engste Passage durchquert hatten, den North Channel vor Belfast, waren sie zudem in verbotenes briti­sches Territorium eingedrungen. Wären sie entdeckt worden, hätte man das Feuer auf sie eröffnen können, um sie zum Auftauchen zu zwingen.

Aber Petrow, dieser Teufelskerl, war durchgekommen und hatte geschafft, was sich kein anderer erträumt hätte. Und zu allem Überfluss besaß man nun eine detaillierte elektronische Bodenkarte über jede Erhebung in der engen Passage. Diese Leistung war so überragend, dass zumindest Owjetschin nichts gegen einen weiteren Helden Russlands auf der K 601 gehabt hätte.

Doch auf der anderen Seite hatte Petrow sein Boot aufs Spiel gesetzt und gegen Befehle verstoßen.



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