Casablanca in Killarney by Freundlinger Elisabeth

Casablanca in Killarney by Freundlinger Elisabeth

Autor:Freundlinger, Elisabeth [Freundlinger, Elisabeth]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-10-05T23:00:00+00:00


David

Niemand hätte gedacht, was für eine begnadete Mutter Ilse abgeben würde. Mit jedem Zentimeter, den ihr Bauch anschwoll, verlor sich das, was man gemeinhin als Selbsterhaltungsbedürfnis bezeichnet und mutierte zu einem unbarmherzigen Brutpflegetrieb. Sie wurde nicht nur schrecklich anspruchslos, was ihr Äußeres betraf (Stichwort Doris Day), sie sprach es auch allen anderen Menschen ab, nach äußeren Werten zu streben. Und das ging mir dann doch sehr gegen den Strich, weil – meine Güte! – so eine kleine Oberflächlichkeit von Zeit zu Zeit ist doch wahnsinnig amüsant. Nichts geht über frisch lackierte Fingernägel, wenn man Liebeskummer hat. Oder natürlich einen neuen Haarschnitt, aber damit muss man freilich aufpassen. „Schätzchen“, warne ich gelegentlich meine Kundinnen (es sind vorwiegend Frauen, die dazu tendieren, stellvertretend ihre Haare zu kastrieren, wenn sie von irgendeinem Typen abserviert wurden), „Schätzchen, pass auf, dass du bei deinem Hang zu widerlichen Kerlen nicht irgendwann mit einer Glatze endest.“ Manche Tussis scheinen, was ihre Männerwahl betrifft, ja wirklich besonders begabt zu sein.

Apropos ‚begabt‘: Wie ein Goldgräber – oder nehmen wir meinetwegen auch die hübschere Metapher des Trüffelschweins zur Hand – suchte Ilse vom ersten Lebensmoment ihres Sohnes an nach seinem Talent. Es dauerte dann genau zehn Jahre, acht Monate und drei Tage, bis sie es fand. Der Junge hatte mit seinem Freund im Garten mit Laserschwertern gekämpft, Obi Wan Kenobi gegen Darth Vader, und Ilse sah sofort das Potential: die perfekte Koordination von Armen und Beinen, die elegante Körperhaltung und die raffinierte Strategie, mit der Philipp mit dem Plastikstab auf den anderen Jungen eindrosch. Okay, der Nachbarsjunge war zwei Jahre jünger und hätte wahrscheinlich sowieso keine Chance gehabt.

„Fechten!“, rief Ilse. Dann winkte sie ihren Sohn herbei. „Philipp, komm mal her!“

Die folgenden Tage brachten sie damit zu, sämtliche Fechtklubs der näheren und weiteren Nachbarschaft zu besichtigen. Nicht, dass sich Ilse mit der nächstbesten Möglichkeit zufriedengeben würde!

Zufälligerweise kamen sie nach zwei Wochen der intensiven Begutachtung auf den ersten Verein zurück, den sie sich angeschaut hatten. Philipp wurde flugs für einen Anfängerkurs angemeldet, und nach ein paar Wochen der Annäherung an diesen Sport, legte Ilse das Geld für Einzelstunden auf den Tisch. „Von nichts kommt nichts.“

Philipp war ein dankbares Objekt ihres Engagements. Also gut, ich kann es auch weniger zynisch: Ilse hatte ins Schwarze getroffen, und Philipp begeisterte sich ebenso für die Idee wie seine Mutter. Bingo.

Um meiner guten, alten Freundin Ilse Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, möchte ich jetzt aber auch erzählen, wie sie seinerzeit der Neurodermitis ihrer Tochter zu Leibe gerückt war. Sie war mit Vicky nicht nur von einem Arzt zum anderen gepilgert, sondern hatte auch sämtliche Heilpraktiker kontaktiert, die sie auftreiben konnte. Sie ließ sich mit keiner negativen Diagnose abspeisen, sie weigerte sich zu akzeptieren, dass ihre Tochter womöglich mit dieser Krankheit würde leben müssen. Sie mixte eigenhändig Salben und stampfte Kräuter, und tatsächlich gelang es ihr vor kurzem, die Krätze zu besiegen. Die Ärzte behaupten natürlich, dass das mit Vickys Eintritt in die Pubertät zusammenhängt. Zumindest kann sich Ilse für die Zeit bis dahin nicht vorwerfen, eine schleißige Mutter gewesen zu sein.



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