Carsick by John Waters

Carsick by John Waters

Autor:John Waters
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
veröffentlicht: 2015-08-20T16:00:00+00:00


SCHLECHTE FAHRT NR. 8

BLOSSOM

»Schwule unter Deck, meine Liebe«, säuselt er aus dem Mundwinkel, als er direkt an meinem Aufpasser und dem armen Veneer vorbeifährt, die mich noch gar nicht vermissen. »Wie bitte?«, frage ich, etwas verunsichert angesichts seines kryptischen Gay-Slangs. »Ich heiße Blossom«, stellt sich dieser Tölpel von einer Tunte vor, will mich aber offenbar nicht aufklären. »Und vergessen Sie das nicht, Süße!«

Oh Gott. Ist es verkehrt, schwul zu sein und trotzdem »Gay-Shame« zu haben, wie die hippen Kollegen in England es scherzhaft nennen? Darf man peinlich berührt sein von Old-School-Schwuchteln, die Klischees übertreiben und der neuen Queer-Generation einen gay-politisch unkorrekten Ruf anhängen? Schwierige Frage. Ich erinnere mich noch, wie Divine zum ersten Mal Richard Simmons sah und meinte, er löse homophobe Gefühle in ihm aus. So geht es mir auch gerade. Blossom greift plötzlich nach hinten und reicht mir eine Tortenschachtel. »Schlagen Sie zu«, sagt er mit seltsam irrem Blick. »Okay«, murmele ich, zumal ich nach dem unregelmäßigen Essen der letzten Tage schon wieder hungrig bin. Meine Tätowierung tut weh. Bei jeder Bewegung spüre ich den Schorf aufbrechen, und durch mein Hemd sickert schon der Eiter. »Na, haben Sie Ihren Korken knallen lassen?«, fragt mich Blossom lüstern, als sein Blick auf meine Brust wandert. »Nein«, erkläre ich entsetzt. »Ich habe eine Entzündung.« »Dann lassen Sie uns anhalten und Medizin besorgen«, gackert er wie eine überfürsorgliche Mutter und biegt auf einmal von der I-70 auf die I-281 in Richtung Süden ab. »He, ich muss auf der I-70 bleiben«, rufe ich, aber er fährt einfach weiter.

»Ich muss vorsichtig sein«, flüstert Blossom, obwohl außer mir niemand im Wagen ist. »Warum?«, frage ich, obwohl ich es lieber nicht wissen will. »Kann ich Ihnen ein Geheimnis anvertrauen, Liebste?« Ohne auf seine Vertraulichkeit einzugehen, antworte ich vorsichtshalber: »Vielleicht sollten Sie das lieber nicht.« »Ich bin in einer Mission unterwegs, Zuckerpuppe«, fährt er fort, ohne meinen Rat zu beachten. »Diese Hetero-Ficker brauchen eine Abreibung.« »Wer?« Ich habe keine Ahnung, wovon er redet. »Na, die Scheißheten!«, schnaubt er. »Ach kommen Sie, viele Heterosexuelle sind wirklich okay. Heutzutage kann man nicht mehr von der Sexualität auf den Charakter eines Menschen schließen«, argumentiere ich, und es ist mir egal, wie er das sieht. »Oh doch, das kann man verdammt noch mal sehr wohl!«, faucht Blossom fanatisch. »Jemand muss dafür bezahlen!«, droht er und fährt auf den Parkplatz einer Drogeriekette.

Mit einer ausgesprochen unmädchenhaften Vollbremsung kommt Blossom auf einem Behindertenparkplatz zum Stehen. »Wegen der Heteros bin ich geistig behindert«, brüllt er in die Welt hinaus, obwohl nur ich im Wagen sitze. Er macht die Tür hinten auf, holt eine Spraydose raus und schreibt HETEN SIND SCHWEINE, SCHWULE SIND KEINE auf den PKW neben uns. Erst als er einen Hammer unter dem Fahrersitz hervorzieht, die Windschutzscheibe eines anderen Autos einschlägt und knurrt: »Heterosexuelle Scheidung muss illegal sein«, beginne ich zu verstehen, dass er es ernst meint mit seiner merkwürdig verdrehten Militanz. Ich hasse Separatismus, bin aber zu diesem Zeitpunkt zu fertig mit den Nerven, um geschlechtspolitische Diskussionen zu führen.

Außerdem ist mir schwindelig. »Na los«, sagt Blossom und zerrt mich aus dem Wagen in Richtung Drogerie, »kommen Sie mit.



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