Max Weber (German Edition) by Kaesler Dirk

Max Weber (German Edition) by Kaesler Dirk

Autor:Kaesler, Dirk [Kaesler, Dirk]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Soziologie, Biographie, Hausarbeit Max Weber
ISBN: 9783406622502
Herausgeber: C. H. Beck
veröffentlicht: 2011-09-21T22:00:00+00:00


VI Wider die Vermengung von Wissenschaft und Werturteilen. Die «Wert(Urteils)Freiheit»

Nach der Jahrhundertwende und den Aufsätzen zur Kulturbedeutung des Protestantismus und den damit unmittelbar verbundenen methodologischen Überlegungen nahm die Ein-Mann-Wissenschaftsmaschine Max Weber eine Vielzahl von Themen in Angriff: eine Analyse der revolutionären Veränderungsprozesse im zaristischen Russland der Jahre 1905 bis 1907, Beiträge zu Diskussionen über die Hochschulpolitik im Deutschen Reich, Schriften Zur Psychophysik der Arbeit, einen umfangreichen Aufsatz, der postum als Musiksoziologie publiziert wurde, und eine Erweiterung seiner umfangreichen Manuskripte über die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Neben seiner intensiven Tätigkeit als «Schriftleiter» des Grundriß der Sozialökonomik ist sein verbandspolitisches Engagement im Verein für Socialpolitik, auf den Deutschen Hochschullehrertagen und in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie zu erwähnen. Von dem nicht unerheblichen Schrifttum, das sich aus allen diesen Themen entwickelte, wird hier allein auf jene Texte eingegangen, die bis heute mit jenem Stichwort verbunden werden, das mit Webers grundsätzlicher wissenschaftstheoretischer Position verbunden ist: die «Wertfreiheit» bzw. die «Werturteilsfreiheit» der (Sozial-)Wissenschaft.

Die vielfältigen Probleme, um die unter diesen Stichworten gerungen wurde, beziehen sich nicht nur auf einzelne Wissenschaften, sondern auf die Grundbestimmung jedes wissenschaftlichen Erkennens. Die einschlägigen Arbeiten Max Webers – vor allem sein bereits behandelter Aufsatz über Die «Objektivität» sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis (1904), dazu Der Sinn der «Wertfreiheit» der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften (1917) und der Text seiner Rede Wissenschaft als Beruf (1919) – zählen mit zu den ausschlaggebenden Bezugspunkten für die bis heute anhaltenden Diskussionen. Boten schon die Rezeption der Protestantischen Ethik und der damit verknüpften Konzepte des «Verstehens» und des «idealtypischen Vorgehens» häufig genug Anlass für Missverständnisse, so erfuhr die Weber’ sche Forderung nach «Wert(urteils)freiheit» wohl die wirkungsvollste Verzerrung. Für ein umfassendes und zutreffendes Verständnis der Position Webers ist die Einordnung in komplexe Zusammenhänge erforderlich.

Für den philosophischen Hintergrund seines Anliegens ist eine tief greifende Krise im geschichtlichen und gesellschaftlichen Bewusstsein Europas vor dem Ersten Weltkrieg von Bedeutung, die abgekürzt als «Krise des Historismus» bezeichnet wird. Trotz erheblicher inhaltlicher Differenzen unter den Hauptteilnehmern an den damaligen Auseinandersetzungen – vor allem Hermann Cohen, Wilhelm Dilthey, Wilhelm Windelband, Heinrich Rickert, Max Weber, Ernst Troeltsch und Friedrich Meinecke – gab es einen gemeinsamen Nenner: die Kritik am Positivismus. Durch die verschiedensten Destruktionen am positivistischen Menschen- und Weltbild – etwa durch Sigmund Freud, Carl Gustav Jung, Friedrich Nietzsche, Henri Bergson, Charles Baudelaire, Fjodor Dostojewskij und Marcel Proust – wurde die Fiktion einer rational geordneten Welt zunehmend mehr in Zweifel gezogen. Aus dieser häufig in Kulturkritik und Kulturpessimismus umschlagenden Sichtweise ergab sich die Frage, ob eine Geschichtswissenschaft oder eine Gesellschaftswissenschaft überhaupt möglich sei. Einige Historiker und Soziologen neigten der Auffassung zu, dass die historischen Zufälligkeiten und die menschliche Subjektivität beides unmöglich mache. Gegen diese Position richteten sich jene Bestrebungen einiger Teilnehmer an diesen Diskussionen, die an einen «Sinn der Geschichte» glaubten. Gerade um einen absoluten, alle Bereiche erfassenden Relativismus abwehren zu können, bemühten sich vor allem Dilthey, Windelband, Rickert, Meinecke und Troeltsch um eine Überprüfung der methodischen und erkenntnistheoretischen Grundlagen der Geschichtswissenschaft.

Den theoretischen Hintergrund bildete die als «Methodenstreit» bekannt gewordene und mit den beiden Namen Gustav von



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