Brant by Ken Bruen

Brant by Ken Bruen

Autor:Ken Bruen [Bruen, Ken]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Polar Verlag
veröffentlicht: 2017-05-14T16:00:00+00:00


McDONALD HATTE SICH vorgenommen, die Angriffswelle auf die Rentner zu stoppen. Roberts hatte ihm zwar aufgetragen, das Postamt auszuspähen und ihm Bericht zu erstatten, doch nun sagte er sich: »Wozu das denn? Der Alte kann mich am Arsch lecken.« Es war an der Zeit, dass er selbst ins Rampenlicht trat, dass er endlich mehr Aufmerksamkeit bekam, dass der Super ihn wieder schätzen lernte. Er würde Roberts einfach links liegen lassen. Ihm allein würde der Ruhm gebühren.

Früh aufgestanden, fühlte er sich frisch und munter. Trat in Zivilkleidung vor den Leiter des Postamts, zeigte ihm seinen Dienstausweis, skizzierte ihm seinen Plan. Der gute Mann war mehr als hilfsbereit, führte ihn sogar an einen Schalter, von dem aus er die Empfangshalle unbemerkt überblicken konnte.

Perfekt.

So hatte er auch gleich eine Sitzgelegenheit, falls der Tag lang werden sollte. Was er dann auch wurde. Nach vier Stunden hatte McDonald sich fast zu Tode gelangweilt. Noch dazu hatte die Belegschaft ihn dauernd mit Tee versorgt, sodass er dringend pinkeln musste. Doch dann tat sich etwas: Aber hallo, du schon wieder!

Bereits zum zweiten Mal innerhalb einer Stunde war ein Typ Mitte zwanzig an ihm vorbeispaziert. Der Mann war so unauffällig, dass er ihm beinahe entgangen wäre. Trug einen Kapuzenanorak, eine schwere, schwarz umrandete Brille und langes, strähniges Haar. Kaum hatte McDonald ihn gesehen, wollte sein Blick auch schon über diesen Schlaffi, diesen Nerd hinweggleiten, doch jetzt sah McDonald genauer hin. Der Typ wirkte irgendwie unstet, verstohlen. Abrupt wandte er sich ab und ging in Richtung Ausgang. McDonald folgte ihm. Der Amtsleiter spürte die Spannung, die in der Luft lag, fragte:

»Haben Sie was gesehen?«

Bekam jedoch keine Antwort.

Draußen dachte McDonald schon, er hätte den Typ entkommen lassen. Zorn und Frust loderten in ihm auf, doch dann sah er ihn. Drüben in dem kleinen Café auf der anderen Straßenseite bestellte er gerade eine Portion Pommes zum Mitnehmen. Als er damit auf die Straße trat, nahm McDonald die Verfolgung auf. Der Nerd ging zur Lee Road, bog rechts ab und betrat dann ein Wohngebäude. McDonald war ihm dicht auf den Fersen, sah ihn die Treppe in den ersten Stock hinaufsteigen und dort nach seinem Schlüssel suchen, und schon stand er unmittelbar hinter ihm.

»Ist das Ihre Wohnung?«

»Wer sind Sie?«

»Polizei. Ich habe Sie etwas gefragt.«

»Ja, ja das ist meine Wohnung. Stimmt was nicht?«

»Lassen Sie uns das drinnen besprechen.«

Der Nerd öffnete die Tür und McDonald stieß ihn hinein. Die Pommes fielen zu Boden und er spürte, wie seine Stiefel sie zu Matsch zerdrückten. Er warf die Tür ins Schloss, folgte dem Typ tiefer in die Wohnung und sah sich prüfend um. Zu seiner Überraschung herrschte überall Ordnung. Die Bücher wohlsortiert, Zeitungen und Illustrierte auf einem kleinen Beistelltisch gestapelt. Er fragte:

»Was sind Sie eigentlich? Student?«

»Äh, ja, Rechnungswesen. Hören Sie, ich weiß nicht, was Sie von mir wollen …«

McDonald hatte Brant oft genug bei der Arbeit zugesehen und noch öfter die Geschichten gehört, die sich die Kollegen voller Bewunderung und Ehrfurcht über ihn erzählten. Was Brant von ihnen unterschied, war einfach: Er tat so, als gäbe es keine Regeln, und kam damit durch.



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