Brückenteufel by Martin Barkawitz

Brückenteufel by Martin Barkawitz

Autor:Martin Barkawitz
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2016-10-31T00:00:00+00:00


12

Charleroi war ein Dreckskaff, wie Julian fand.

Vielleicht lag es ja auch nur an der Gegend. Julian stand am Fenster eines Zimmers, das sich in einem schmutzig-braunen schmalen Haus in der Rue de Montigny befand. In der Nähe gab es eine Autobahnauffahrt, einen schmuddeligen China-Imbiss, eine Filiale von Europcar sowie zahlreiche geschlossene Läden mit zugemauerten Eingangstüren.

Seine Flucht hatte sich Saskias Bruder irgendwie glamouröser vorgestellt.

Immerhin schien er in seinem Unterschlupf vor den Bullen sicher zu sein. Ein Kumpel aus der Kölner Drogenszene hatte ihn nach Belgien mitgenommen. Nun hockte er in diesem Zimmer, dessen achtzigjährige afrikanische Vermieterin keine dummen Fragen stellte und keinen Ausweis sehen wollte. Und für seinen Namen interessierte sie sich auch nicht.

Allerdings hatte Julian der dunkelhäutigen Oma 500 Euro in bar überlassen müssen, wodurch bereits die Hälfte seines Geldes futsch war. Er wusste nicht, für wie lange er das Zimmer gemietet hatte, denn sein Französisch war noch schlechter als das Deutsch der schwarzen Belgierin.

Julian langweilte sich. Er hatte einen Joint geraucht und wollte sich in der Umgebung umschauen. Bisher kannte er in Charleroi außer seiner Vermieterin keine Menschenseele, denn sein Bekannter aus Köln hatte bereits wieder die Heimreise angetreten.

Er verließ das Zimmer und trat hinaus auf die Straße. Nebenan gab es einen Computerladen, in dem museumsreife gebrauchte Rechner verkauft wurden. Die Passanten sahen allerdings so aus, dass sie sich noch nicht mal diese alten PC-Gurken leisten konnten. Mit den Händen in den Hosentaschen schlenderte Julian an den schäbigen Gebäuden entlang, die seiner neuen Behausung glichen wie ein Ei dem anderen.

Saskias Bruder hatte immer über die Gartenzwerg-Idylle von Löhrfelden abgelästert. Aber ihm dämmerte allmählich, dass ein Leben auf der Flucht doch beträchtlich uncooler war, als er es sich vorgestellt hatte.

Sicher, in Charleroi konnte man leichter an Drogen kommen als an einen Hamburger. Aber die Stadt war doch verdammt trist. Wieso musste Julian überhaupt hier abhängen?

Es kam ihm total ungerecht vor, dass er gejagt wurde.

Sicher, die Aktion mit dem Stein war dumm gelaufen. Aber wer hätte denn ahnen können, dass die Frau gleich draufgehen würde? Und überhaupt – weshalb hatte Andi ihn nicht davon abgehalten, den Stein fallen zu lassen? Julian fand, dass Andi mindestens genauso viel Schuld hatte wie er selbst.

Ob es wohl eine gute Idee war, seinen Kumpel anzurufen? Womöglich überwachten die Bullen sein Telefon. Aber Julian wollte einfach wissen, was in der alten Heimat abging. Er zog sein Billig-Handy hervor und tippte Andis Nummer ein.

Aber der Anschluss war tot.

Julian fluchte und versuchte es bei seiner Schwester. Aber auch bei Saskia sprang nur die Mailbox an. Kein Wunder, denn es war ja erst 15 Uhr nachmittags. Um diese Zeit war Saskia am Arbeiten. Er hatte nie verstanden, wie sie ihren öden Job Woche für Woche und Monat für Monat durchhielt.

Für ihn wäre das nichts gewesen. Julian ließ es lieber ruhiger angehen. Aber so öde wie in Charleroi musste es auch nicht sein. Er beschloss, Saskia später noch einmal anzurufen. Seine Neugier war auf jeden Fall geweckt. Mit seinem Billig-Handy konnte Julian nicht ins Internet gehen. Aber zum Glück erblickte er an der Ecke der Rue Bosquetville ein Internetcafé.



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