Bogotá by Alberto Vazquez-Figueroa

Bogotá by Alberto Vazquez-Figueroa

Autor:Alberto Vazquez-Figueroa [Vazquez-Figueroa, Alberto]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-03-10T16:00:00+00:00


Sie kamen genau, wie wir es befürchtet hatten: drei Stunden, nachdem ein Flugzeug »Ware« abgeladen hatte. Plötzlich waren sie da, mit zwei Hubschraubern, bis an die Zähne bewaffnet, und verschossen so viel Blei, daß man damit sämtliche Wasserrohre Bogotás hätte reparieren können.

Ich war auf meinem Posten und hielt die Augen offen. Trotzdem sah ich so gut wie nichts, denn der Urwald ist dort verdammt dicht. Man kann nicht mal ein Stück vom Himmel erkennen.

Nachdem ich fünf Minuten lang Explosionen und MG-Salven gehört hatte, kam ich zu dem Schluß, daß es nicht besonders klug wäre, ins Lager zurückzugehen. Also rannte ich los und blieb erst wieder stehen, als nur noch das Kreischen der Papageien und die Geräusche des Dschungels zu hören waren.

Ich hatte nur eine Wasserflasche, ein Stück Käse und etwas Kassawa bei mir. Plus einen Revolver, eine Maschinenpistole und jede Menge Angst.

Nichts wiegt so schwer wie die Angst, Señor, ehrlich. Sie ähnelt einer Steinplatte, die einem das Kreuz bricht und die Sinne benebelt. Man ist nicht mehr bei Sinnen und macht die verrücktesten Sachen.

Während ich auf meinem Horchposten stand, hatte ich mir oft vorgestellt, was ich tun würde, wenn ich eines Tages gezwungen wäre, in den Urwald zu flüchten. Aber als es dann plötzlich so weit war, ich schwöre Ihnen, war alles vergessen, was ich mir vorher ausgedacht hatte.

Ehe ich mich versah, hatte ich mich in dem verdammten Labyrinth aus Bäumen und Lianen verirrt. Ich fand den Ausgang nicht mehr.

Ich hatte schon mal einen Kompaß gesehen, aber selbst wenn ich einen gehabt hätte, er hätte mir nichts genützt. Ich hatte keine Ahnung, wie man mit solchen Dingern umgeht, und über Himmelsrichtungen wußte ich ebenfalls herzlich wenig.

In Bogotá genügte es, die Spitze des Monserrate zu sehen, um zu wissen, wo man war.

Wenn man unsicher ist, steigert sich das Gefühl der Angst immer mehr.

Ich wußte, daß ich in Peru war und Peru an Kolumbien grenzte und ich durchdrehen würde, wenn ich die Nerven verlor. Das war aber auch schon alles.

Ich hockte mich unter einen Baum. Konnte weder essen noch trinken, hatte einen richtigen Knoten im Hals. Ich schlief unter diesem Baum. Am nächsten Morgen war ich völlig deprimiert. Was zum Teufel hatte ich im Urwald verloren? Ein armes Würstchen, ein Straßenkind wie ich hatte es wenigstens verdient, in der Stadt begraben zu werden. Ich hatte keine Lust, mich vom Ungeziefer auffressen zu lassen.

Ramiro fehlte mir.

Ich hatte ihn schon die ganze Zeit vermißt, aber in diesen Tagen war seine Abwesenheit einfach nicht mehr auszuhalten. Wie der Gedanke, daß ich sterben würde, ohne ihn bei mir zu haben.

Die Vorstellung, daß er ohne mich sein Studium an den Nagel hängen mußte, machte mich traurig.

Ich war nämlich mächtig stolz, daß Ramiro studierte.

Sie finden das vielleicht lächerlich, aber mir hatte die Tatsache, daß einer von uns der Scheiße entkam, Mut gemacht. Dadurch sah ich vieles anders. Und obendrein war es eine Rechtfertigung für all die miesen Sachen, die ich anstellte.

Mir hat mal einer gesagt, daß die Toten gar nicht richtig tot sind, denn sie können einem Baum als Dünger dienen, der später gute Früchte trägt.



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