Bis nichts mehr ging: Protokoll eines Ausstiegs (German Edition) by Onken Matthias

Bis nichts mehr ging: Protokoll eines Ausstiegs (German Edition) by Onken Matthias

Autor:Onken, Matthias [Onken, Matthias]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783644483910
Herausgeber: Rowohlt (com)
veröffentlicht: 2013-01-01T23:00:00+00:00


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Stress

Dauernd

Je ehrlicher ich mich mit der Schattenseite meines Jobs auseinandersetze, desto aufmerksamer beobachte ich, wie andere mit dem Druck umgehen, der auf ihnen lastet. Sei es privat in ihrer nicht funktionierenden Beziehung, in der Erziehung ihrer Kinder, in der ehrenamtlichen Verantwortung für ein umstrittenes Projekt oder eben in ihrem Beruf. Die wenigsten stecken das weg. Fast allen ist ihr Stress anzusehen. Sie reagieren unterschiedlich auf die Belastungen, scheinen aber alle aus dem gleichen Holz geschnitzt. Sie wollen viel, haben viel, geben alles und sind dennoch nicht glücklich. Sie leiden. Jeder auf seine Art, irgendwie aber auch als Stressgemeinschaft.

Ich sehe jemandem schnell an, ob er Teil der Gemeinschaft oder eine entspannte Ausnahmeerscheinung ist. Aus den Beobachtungen mache ich bald meine eigenen Typen-Kategorien auf.

Stress-Typ 1, der Cholerische

Übelste Sorte von allen, insbesondere männliche Vertreter. Läuft alles so, wie er es sich vorstellt, ist der Choleriker entspannt. Er ist freundlich, kommt sympathisch rüber, gegenüber Frauen gibt er den Charmeur, im Umgang mit Geschlechtsgenossen ist er kumpelhaft, zeigt sich interessiert und trifft den richtigen Ton. Erzählt dir jemand von seiner düsteren Seite, willst du nicht glauben, was du hörst. Emotionale Extremausbrüche scheinen unvorstellbar – bis es passiert. Oft reicht schon ein kleiner Patzer, und der Choleriker legt los. Innerhalb von Sekunden rauscht er auf 180. Er verliert von einem auf den anderen Augenblick die Contenance, pöbelt, schreit, tobt. Ich selbst habe nie unmittelbar mit einem Choleriker zusammenarbeiten müssen. Aber ich habe wilde Geschichten gehört: Einer hat Mitarbeiter, die seiner Meinung nach einen Fehler gemacht hatten, zu sich zitiert und sie mitten in der Redaktion vor allen Augen runtergeputzt. Er soll kein gutes Haar an ihnen gelassen haben. Wer so einen Einlauf kassiert hätte, sei fix und fertig gewesen, habe fest damit gerechnet, gefeuert zu werden. Das sei jedoch nie passiert. Oft sei schon am nächsten Tag alles vergessen gewesen, zumindest für den Chef. Der habe sich wieder lammfromm verhalten, habe den geschlachteten Mitarbeiter für eine tagesaktuelle Leistung gelobt und so getan, als passe zwischen die beiden kein Blatt Papier.

Ein noch krasserer Fall: Ein ehemaliger Chefredakteur soll bis vor ein paar Jahren regelmäßig derart ausgerastet sein, dass ihm der Verlag eine Therapie verordnet habe. In Ungnade gefallene Mitarbeiter soll der Kerl mit Bürowerkzeugen wie Tackern beworfen haben. Ich habe den Kollegen beobachtet, im Alltag unter Führungskräften wirkt er unauffällig, ordnet sich allen, die in der Hackordnung über ihm stehen, schon fast lakaienhaft unter. Einfachen Mitarbeitern gegenüber verhält er sich betont chefig, kommt ihnen zuweilen arrogant bis abfällig.

Stress-Typ 2, der Infarkt-Jäger

Er tut vor allem sich selbst weh. Er frisst alles in sich rein, versucht, allem und allen gerecht zu werden, hat ständig Panik, dass ihm die Dinge über den Kopf wachsen. Ausgleich? Ist für ihn ein Fremdwort. Er malocht, was das Zeug hält, arbeitet sich im Wortsinn zu Tode. Der Infarkt-Jäger gönnt sich keine Ruhe, er steht ständig unter Strom. Mit dieser Situation hat er sich arrangiert, sein Körper hat sich an den hohen Taktschlag gewöhnt. Oft kommt der Kollaps deshalb in einer Phase der Entspannung. Die kennt der Gestresste gar nicht, die überfordert ihn.



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