Arthur Aronymus und seine Väter by Else Lasker-Schüler
Autor:Else Lasker-Schüler [Lasker-Schüler, Else]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Gemeinfrei, Drama
ISBN: 3423106476
Herausgeber: dtv
veröffentlicht: 1985-12-31T23:00:00+00:00
Zehntes Bild
Auf dem alten Judenfriedhof in Paderborn.
Frau Schüler; Arthur Aronymus; zwei Gärtner, ein jüdischer und ein christlicher.
Arthur Aronymus kommt an der Hand der Mutter an die kleine Pforte des Friedhofs; es schneit; es ist Anfang Januar.
Mutter: Nun sei recht brav, mein Kind (sie zeigt zum Himmel), damit sich dein liebes GroÃväterlein freut über dich.
Arthur Aronymus: Ist er denn da oben im Himmel?
Mutter: Das will ich meinen; ein Engel hat ihm Geleit gegeben.
Arthur Aronymus: Ach, GroÃväterlein lachte so, als ich und Lenchen auf seinem Perser Purzelbäume schlugen. Der Ephraim kämmte morgens seine Fransen. (Er sieht, wie seine Mutter weint. Ein Kuckuck schlägt.) Hör mal, Mutter! (Er zählt): Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben! (Im Ton der westfälischen Bauern): Genau so alt wie eck wurd der Groatvatter, schönet Alter! Wat, Modder!?
Mutter (sie muà lachen): Strick! Manchmal glaubte man wirklich, dein liebes GroÃväterlein war so alt wie der Strick da. (Ermahnend) Aber dann dünkte es mich, er sei gottalt.
Arthur Aronymus: Weil er soviel vom lieben Gott erzählte?
Mutter: Auch darum, mein Kind, aber auch, weil er leuchtete und ewigen Frieden verbreitete â und â wer ihn anblickte, ward getröstet.
Arthur Aronymus (im selben traurigen Ton): Allerwegen.
Mutter (biegt in eine Reihe der Grabsteine ein; sie lächelt): Und du muÃt ein guter Mensch bleiben, mein Kind, schon GroÃväterlein zur Ehre.
Arthur Aronymus macht auf einmal einige Sprünge.
Mutter (erschreckt): Aber Junge, du wolltest doch brav sein?
Arthur Aronymus: Weil du ömmer so hülst, Modder.
Mutter (bleibt stehen vor einem Grab, auf dessen Stein senkrecht zwei betende Hände graviert sind und die Inschrift ihres Vaters): Dort liegt unser geliebtes, unvergeÃliches GroÃväterlein, (betont) der berühmte Rabbuni von Rheinland und Westfalen, mein Kind. (Sie sinnt vertieft, hebt dann Arthur Aronymus etwas höher.) Nun hol deine Steinchen aus deinem Perlentäschchen und lege sie kunstgerecht, wie du deine Bauklötze legst, eines neben dem andern und über dem andern auf die groÃe Steintafel.
Arthur Aronymus: Und diesen Stein mit Erz in die Mitte. (Er macht das ganz kunstgerecht.) Mutter, warum sollte ich die Steine auf die Gedenktafel legen? Caspar bringt immer seinem Vatter eenen ollen Kranz aus Strohblumen am Sonntag.
Mutter: Das will ich dir erklären, wenn du einmal älter bist, mein Kind, dann wollen wir GroÃväterlein (sie legt ebenfalls Steine, und zwar über Arthur Aronymusâ Steine, viel ungeschickter wie er, auf den Denkstein. Arthur Aronymus sinnt kopfschüttelnd, wie untalentiert die Mutter das macht) â bis in den Himmel hoch eine Wohnung bauen. Jedenfalls, mein kleiner Arthur Aronymus, dieses war dein erster ernster Bau, mein Junge.
Arthur Aronymus: Du sprichst jetzt verdeck, Mutter, wie GroÃpapalein Rabbi.
Mutter: Nun falte deine Hände und bete. (Er legt die Hände, wie sie auf den Grabstein eingemeiÃelt sind, und will sein Abendgebet sprechen. Aber er fängt auf einmal an zu weinen, so daà die Mutter beginnt zu beten. Man hört sie nicht. Ihren Arm legt sie um Arthur Aronymus. Sie stehen beide sehr bewegt und still vor dem Grabe. Von einem Seitenweg tönen Stimmen herüber. Die Mutter trocknet Arthur Aronymusâ nasses Gesichtchen.) Nun, mein Liebling, wollen wir wieder zum Ephraim gehen, in GroÃpapaleins kleines Haus.
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