Ararat: Die Sündenflut (German Edition) by Melanie Vogltanz

Ararat: Die Sündenflut (German Edition) by Melanie Vogltanz

Autor:Melanie Vogltanz [Vogltanz, Melanie]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783903006041
veröffentlicht: 2014-07-27T22:00:00+00:00


Es wurde Nacht.

Bendany Glen hatte die Verfärbung des Himmels von Beginn an beobachtet, den glühend roten Ball am Horizont mit Blicken fixiert, ihn innerlich angefleht, er solle doch noch ein paar Stunden länger dort oben hängen bleiben, ihr noch ein wenig Zeit lassen. Irgendwann hatte sie begriffen, dass es keinen Sinn hatte – das Warten, das Hoffen, das Flehen. Nicht einmal die Angst machte mehr Sinn. Es war vorbei. Sie hatte verloren. Das war vorherzusehen gewesen, und es machte ihr nichts aus. Nur um ihren treuen Begleiter und Lebensretter trauerte sie, weil sie wusste, dass sie Schuld an seinem Schicksal trug, was auch immer ihm in der bevorstehenden Dunkelheit der Nacht widerfahren würde.

In den letzten Momenten des sterbenden Tages war ihr Verstand überraschend klar, ihr Fieber sank, Erinnerungen kehrten zurück und warteten darauf, von ihr gelesen zu werden wie Zeilen in einem vergessenen Buch. Und das tat sie auch, doch sie tat es lieb- und freudlos, in der Gewissheit, dass sie dieses so unverhofft wiedererlangte Leben nicht lange würde festhalten können.

Als die Sonne hinter dem Horizont verschwunden war und der Himmel sich in verwaschenem Grau präsentierte, nur manchmal unterbrochen von farbenfrohen, phosphoreszierenden Nebelfetzen, gab Bendany Glen endgültig auf und tat das einzig Richtige, was ihr noch zu tun blieb: Sie schickte ihren Freund, dem sie ihr Leben mehrfach verdankte, fort.

Schon seit geraumer Weile war ihr Weggefährte zusehends nervöser geworden. Mit zwischen den Beinen eingeklemmtem Schwanz und in geduckter Haltung, die Ohren eng an den Schädel gelegt und die Lefzen zu etwas verzogen, das in den Augen eines Menschen beinahe wie ein zynisches Grinsen wirkte, war er durch die hereinbrechende Dämmerung geschlichen, in höchstem Maße aufmerksam, bis in die letzte Faser seines Körpers gespannt und jederzeit zum Sprung bereit.

Als sie ihn nun anwies, er solle fortlaufen, so schnell und so weit wie möglich, und diesen Befehl mit ruckhaften, drohenden Gesten unterstrich, reagierte er im ersten Moment mit Unverständnis. Er wich ihren halbherzig ausgeführten Schlägen aus, duckte sich unter ihren fuchtelnden Händen, doch er wich nicht eine Sekunde von ihrer Seite.

„Worauf wartest du noch?“, schrie sie ihn an, und sie schrie ganz bewusst schrill, sodass ihre Stimme kippte. Mit beiden Beinen stampfte sie auf, nur wenige Fingerbreit von seinen Pfoten entfernt, sodass er gezwungen war, vor ihr zurückzuweichen.

„Verschwinde, mach endlich, dass du wegkommst!“, rief, schrie, kreischte sie. „Ich will dich nicht mehr sehen, verstehst du das nicht! Husch! Weg!“ Die letzten beiden Worte unterstrich sie noch, indem sie heftig und nur knapp vor der Nase des Hundes in die Hände klatschte. Der jedoch schrak nicht einmal zurück, beobachtete ihr seltsames Verhalten nur mit wachsender Verwirrung.

Dann rempelte sie ihn an, grob und mit beiden Händen, sodass er einen Schritt zur Seite stolperte. Und noch einmal. Und noch einmal, solange, bis er sich schüttelte und von sich aus von ihr zurückwich, Schritt für Schritt, um ihren plötzlich so unsanften Händen zu entgehen. Doch er ging nicht.

Was sie dann tat, würde sie sich wohl nie ganz verzeihen können, obgleich sie wusste, dass sie keine andere Wahl hatte.



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