Am Ufer (German Edition) by Chirbes Rafael

Am Ufer (German Edition) by Chirbes Rafael

Autor:Chirbes, Rafael [Chirbes, Rafael]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783888978876
Herausgeber: Verlag Antje Kunstmann GmbH
veröffentlicht: 2014-01-14T23:00:00+00:00


Bernal kehrt zum Ausgangsthema zurück:

»In die Geschichte eingehen als Der Selbstmordattentäter wäre ja nicht schlecht, wenn du der Einzige wärest, der auf die Idee gekommen ist, aber es gibt ja jeden Tag Dutzende von Individuen, die sich an irgendeinem Ort der Welt in die Luft jagen. Außerdem, was ist das schon für ein Trost: Du krepierst und kannst nicht zurück in dein Viertel und dich dafür beglückwünschen lassen, dass man dich in den Nachmittagsnachrichten gesehen hat. Um Selbstmörder im Dschihad zu werden, muss man schon sehr verbittert sein oder sehr stark an Gott glauben.«

»Alles beides«, sagt der von der Sparkasse.

Justino schließt sich an:

»Und dazu noch sehr bösartig sein. Die Attentate der Marokkaner haben die Latte sehr hoch gelegt. Eine Bombe, die ein halbes Dutzend Menschen tötet, ist nicht der Rede wert. Du musst schon mindestens ein halbes Hundert mitreißen, damit du ein paar Minuten im Fernsehen bekommst oder ein Foto in den Zeitungen, egal ob die Bombe vor einer Kaserne in Karatschi, einem Flughafen in Moskau oder in einem Metrowaggon in Madrid losgeht; mit Madrid sicherst du dir die Schlagzeilen in Spanien, klar. Aber ich weiß nicht, wie das in Karatschi, Lahore oder in Kabul aussieht, vielleicht werden diese Gemetzel, da langweilig geworden, nicht einmal mehr in der Zeitung gebracht. Man käme ja mit der Papiererzeugung nicht nach, wollte man über jedes Massaker berichten. Dutzende, Hundertschaften töten. Selbst die Drogenhändler haben sich von diesem medialen Furor anstecken lassen. In Mexiko kommen sie schon auf 50.000 Tote bei den Kämpfen zwischen den Rauschgiftbanden. Sie wollen, dass von ihnen gesprochen wird. Der Einzelmord ist inzwischen so etwas Schäbigem wie der häuslichen Gewalt vorbehalten; aber nicht mal das, denn da gibt es solche, die, wenn sie schon mal das Gewehr aus dem Schrank geholt haben, die Gelegenheit nutzen, um das Haus von Kindern, Stiefkindern, Schwiegereltern zu säubern und den neuen Liebhaber der Ex und sogar den Hund abservieren, wenn sie in die Schusslinie geraten. Das mit dem Töten ist bekanntlich so wie mit dem Essen und Ficken, man muss sich nur dranmachen. Den ersten Bissen bekommst du kaum runter, aber der Rest geht wie von alleine.«

Das Bild des in einer Blutlache liegenden Hundes lässt mich erschauern (was wird nur aus dir, Tom, aus deiner Unschuld) und nimmt mir die Boshaftigkeit:

»Ist es dir auch schwergefallen, die Eichel zu lutschen? Ich dachte, das geht nur mir so.«

Allgemeines Gelächter.

Ich fahre fort:

»Gestern las ich in der Zeitung: Überschwemmungen in Pakistan, ich weiß nicht wie viele tausend Tote; und danach eine Meldung aus Afghanistan: Ein Bus kippt und fällt in eine Schlucht, weitere dreißig, vor einer Polizeistation im Irak platzt eine Bombe, noch mal fünfzig, die zu Boden gehen. Alles am selben Tag. In der Nachrichtenlawine erschien mir das im Irak wie eine voluntaristische, naive Übung; ich fragte mich, warum diese Kinder sich mit Attentaten abmühen, wo Allah es doch ganz alleine schafft, genug zu töten.«

»Parias dieser Erde, die Frantz Fanon und Mao und Lenin und Marx und Che vergebens zu retten versuchten (sie lassen sich nicht retten,



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