Am Hang by Werner Markus

Am Hang by Werner Markus

Autor:Werner, Markus [Werner, Markus]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-01-17T23:00:00+00:00


III

Obwohl ich noch fast eine Stunde lang vor der erkaltenden Asche saß, blieb mir sein sonderbarer Abgang unerklärlich. Ich konnte lediglich vermuten, daß Loos durch das erzählende Vergegenwärtigen des tragischen Geschehens in einen Zustand geraten war, in dem sich das innere Aufgewühltsein als Verhaltensverwirrtheit ausdrückte. Wenn dem so war, so schien es aussichtslos, sein Benehmen zu deuten und einen Sinn in seinem Schlußwort zu finden.

Ich ging zu Bett. Loos kreiste weiter. Ich hätte ihn gern, um endlich zur Ruhe zu kommen, endgültig für verrückt erklärt. Die Handschellen fielen mir ein. Wenn einer in Handschellen gelegt werden will, so hat er Schuldgefühle. Wenn einer Schuldgefühle hat, so hat er Schuld auf sich geladen. Er muß kein Mörder sein. Er muß die Frau im Hallenbad nicht durch Ertränken getötet haben. Sie muß gar nicht im Hallenbad verunglückt sein. Sie ist nie ausgerutscht. Loos hat sich eine Todesversion zurechtgelegt, die ihn entlastet. In Wahrheit war es so: Er hat zu viel getrunken und in einer der steilen Haarnadelkurven auf der Straße nach Cademario die Herrschaft über den Wagen verloren. Todesfolge für seine Frau. Zum Beispiel. Zum Beispiel auch: Er sitzt im Kurhauszimmer, und sie steht draußen auf dem Balkon. Er sieht vom Sessel aus: Sie beugt sich über das Geländer, mehr und mehr, und er springt auf und schreit: Bettina! – und sie fällt im Moment seines Schreis. Und seither Schuldgefühle und Verrücktheit. Klar. Vergiß nicht, die Tür zu verriegeln! Das heißt: Schütz dich vor mir, ich bin ein Verbrecher! Klar. Leg dich ins Bett mit deiner Fehldeutung! Das heißt: Wie könnte ich erleichtert und befreit sein, wo ich die Wahrheit doch für mich behalten habe. – Nur eines bleibt unklar: Warum und wofür hat Loos mir gedankt? Womit könnte ich ihm geholfen haben? Ich frage ihn nochmals, morgen. Er hat sich mir umfassend anvertraut, als einzigem, wie er sagte. Er mag mich. Warum sollte er mich belügen? Was hätte er davon? Ein Badeunfall mit Todesfolge: Was soll daran denn unglaubwürdig sein? Bettina wird ins Krankenhaus gebracht und stirbt. Kein Kurhotel der Welt wird einen solchen Vorfall an die große Glocke hängen. Vorzeitig abgereist, heißt es, wenn jemand nachfragt. Ich möchte endlich schlafen. Loos mag gestört sein oder nicht, ich möchte schlafen. Oder Franziska anrufen, sie wäre vom Fach, sie hat einmal behauptet, daß jeder Mensch, was seinen Seelenzustand betreffe, die grüne Grenze zwischen krankhaft und normal mehrmals pro Tag überschreite. – Absurd. Als ob wir alle mit einem Bein im Tollhaus stünden, gute Nacht!

Pfingstsonntag: Nach miesem Schlaf, ich habe wirr und hirnverbrannt geträumt, bin ich um neun Uhr aufgestanden. Es ging mir besser als am Vortag, ich hätte jetzt arbeiten können und ärgerte mich über den Elfuhrtermin. Den hatte ich mir, was mich jetzt wunderte, einfach so eingebrockt, ohne auch nur einen Moment lang an meine Pflicht und mein Projekt zu denken. So hatte Loos mich vereinnahmt. Ich spürte Überdruß, Loos-Überdruß. Es ging mir, wie es mir oft mit One-Night-Bekanntschaften geht. Ich fühle mich, von Wein und Lust belebt, für ein paar



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