Alt, aber Polt by Alfred Komarek

Alt, aber Polt by Alfred Komarek

Autor:Alfred Komarek [Komarek, Alfred]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Haymon
veröffentlicht: 2015-09-05T16:00:00+00:00


Der Tod und der Wein

Polt, sehr müde nach der vergangenen Nacht, nahm den kürzesten Weg zurück nach Burgheim. Er war schon fast am Ziel, als ein großes, weißes Geländeauto neben ihm hielt. »Simon Polt, hab ich Recht? Hannes Eichinger mein Name.«

»Sie kennen mich?«

»Ehrlich gesagt nicht Sie, sondern Ihr Fahrrad. Ich komme gerade aus Breitenfeld, die Polizei, Sie wissen ja, Herr Polt … haben Sie ein wenig Zeit für ein Gespräch in meinem Haus? Es wäre vielleicht hilfreich für mich und meine Frau.«

»Ja dann! Ich stell nur das Fahrrad ab, Herr Eichinger.«

»So, da wären wir, lieber Herr Polt. Wir wohnen und arbeiten dort, wo wir hingehören: umgeben von unseren Weingärten. Das große Tor rechter Hand führt in den Weinkeller. Ich brauche viel Platz und weite Gewölbe, viel größer, als es der Lössboden zuließe. Für die offene Bauweise waren gewaltige Baumaschinen am Werk, erst dann wurde gewölbt und alles viele Meter hoch mit Erdreich bedeckt. Am Ende war’s dann doch ein Keller, wie er eben sein soll, nur sehr, sehr groß. Gott, was war ich stolz! Und jetzt fühle ich mich sehr, sehr klein, weil es ein junges Leben nicht mehr gibt. Kommen Sie, wir gehen in die Weinlounge. Verdammt, ich hasse diese Bezeichnung, so wie ich das ganze wichtigtuerische Vokabular beim Verkosten schon nicht mehr hören kann. Aber wir agieren relativ weit oben. Da ist die Luft dünn, es gibt kaum noch Platz, um Fuß zu fassen. In diesem eiskalten Reich hochgezüchteter Sinne, nervöser Kennerschaft und aufs Eleganteste verbrämter Gier ist es klüger, sich an die eitle Etikette zu halten, auch was die Wortwahl betrifft. Wie auch immer: Wir sind da, nehmen Sie bitte Platz, schauen Sie sich um. Ich wage zu wetten, dass Sie mit dieser stilsicheren Leere ringsum wenig bis gar nichts anfangen können, Herr Polt.«

»Wette gewonnen.«

»Na also. Glauben Sie mir bitte, dass auch ich gerne mit einem Sepp Räuschl im Lösskeller säße, innigst seinen famosen Cuvées verbunden. Ist mir aber nicht mehr gestattet. Sie betreiben neuerdings ja selbst Weinbau, habe ich gehört. Mit welchem Ergebnis?«

»Trinken kann man ihn, sagt der Friedrich Kurzbacher.«

»Sie Glücklicher! Ein volles Fass im Keller und ein alter Weinbauer, der mürrisch Anerkennung zollt. Herz, was willst du mehr! Meine Welt ist um nichts besser, doch umso komplizierter und mühsamer. DAC, Districtus Austriae Controllatus, kontrollierte Herkunft aus einer österreichischen Region, das ist gerade erst die unterste Sprosse der Leiter. Mit Reserve fängt es an, interessant zu werden.«

»Was ist das genau?«

»Qualitätswein, 13 Prozent Alkohol Minimum, ein Jahr im Holzfass oder länger. Aber es ist noch Platz nach oben: Grand Reserve und so weiter und so fort. Herr Polt?«

»Ja?«

»Ich rede und rede, um nichts sagen zu müssen. Oh verdammt. Meiner Frau und mir ist der Himmel auf den Kopf gefallen. Bald werden wir in Burgheim vor dem offenen Grab unserer Tochter stehen. Ich habe schon jetzt Angst davor.« Hannes Eichinger saß eine Weile stumm da. Dann stand er auf und kam mit einer Flasche und zwei Gläsern wieder. »Ein Grüner Veltliner, wie er Ihnen gefallen könnte, Herr Polt: duftig, würzig, mit Aromen nach Wiesenkräutern, einem Hauch Pfirsich und nicht zu wenig Pfeffer.



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