Aber Toechter sind wir fuer immer. Roman by Christiane Wuensche

Aber Toechter sind wir fuer immer. Roman by Christiane Wuensche

Autor:Christiane Wuensche [Wuensche, Christiane]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


5 Freitagnachmittag

Obwohl es gerade mal halb vier war, hatte ich den Eindruck, dass jenseits des Wohnzimmerfensters alles im Dunkeln lag. Der Tag kam so trüb daher, wie ein Tag im Januar nur sein konnte. Zum Kaffee tischte unsere Mutter Weihnachtsplätzchen auf. In den Dosen befanden sich immer noch welche, die von den Festtagen übrig geblieben waren. Ich bevorzugte die Zimtsterne, die ich mir gezielt vom Keramikteller fischte. Sie schmeckten einfach köstlich!

Papa machte einen nachdenklichen Eindruck. Vorhin hatte ich ihn im Arbeitszimmer telefonieren hören, und seitdem war er in dieser Stimmung. Als er seine Tasse ausgetrunken hatte, ging er zum Bücherregal, das das Wohn- vom Esszimmer abgrenzte.

Mit einem dicken dunkelbraunen Fotoalbum in den Händen kam er zurück.

»Ihr wolltet doch Fotos ansehen, oder?«, fragte er schmunzelnd.

Er setzte sich wieder und öffnete das Album. Die Pergamentseiten, die die Bilder vor dem Zusammenkleben schützen sollten, knisterten.

Bald waren wir in die uralten Schwarzweißaufnahmen vertieft.

»Die habe ich alle oben auf dem Dachboden gefunden, als ich dort ausgemistet habe«, erklärte Mama. »Es muss in den Achtzigern gewesen sein. Das hier ist euer Opa Theo in jungen Jahren.« Sie deutete auf ein grobkörniges Foto. Ich glaube, zu dem Zeitpunkt kannte er noch nicht mal eure Großmutter.«

»Dein Vater sieht aus wie du«, sagte ich erstaunt zu Papa. »Er hat dieselbe Haltung und einen ähnlich freundlichen Gesichtsausdruck.«

»Was du alles in die alten Bilder hineindichtest.« Mama schüttelte lächelnd den Kopf. »Aber in einem hast du recht: Theo und dein Vater waren aus demselben Holz geschnitzt. Feine Männer mit Charakter!«

»Danke, danke.« Unser Vater grinste verlegen.

»Leider musste er viel zu früh sterben.« Johanna runzelte die Stirn. »Und Heike und ich wussten ewig lange nicht, was passiert war. Nur Hermine, die …«

»Wir wollten euch nicht verängstigen. Ihr wart noch so klein«, unterbrach unsere Mutter sie. »Wir dachten damals, dass wir vor euch besser kein Aufhebens darum machen sollten. Else und Theo kamen immerhin gewaltsam ums Leben, Theo sogar hier im Haus.«

Ich hatte das Gefühl, ihr beistehen zu müssen, denn mir gefiel Johannas vorwurfsvoller Blick nicht. Sie konnte manchmal einfach rücksichtslos sein. Außerdem kannten wir doch alle die Geschichte. Warum unnötig darauf herumreiten?

»Ich hätte es an eurer Stelle genauso gemacht!«, sagte ich mit fester Stimme.

»Ich auch.« Das kam von Heike. »Spätestens seit ich selber Mutter bin, ist mir das klar.«

Alle schauten Johanna an. »Na gut, vielleicht habt ihr recht, aber damals fand ich es echt daneben.«

Unser Vater räusperte sich.

»Das alles ist lange her, aber der plötzliche Tod meiner Eltern hat mir natürlich sehr zu schaffen gemacht. Ich habe nicht gern darüber geredet, und Christa auch nicht. Mir war es danach viel wichtiger, das Haus, an dem Vater so hing, in Ehren zu halten. Wir haben es wieder mit Leben gefüllt, und das war gut so.«

»Stimmt.« Heike strich sachte über seinen Arm. »Das habt ihr.«

»Wer ist das denn dort auf dem Foto?« Ich zeigte auf ein x-beliebiges Bild, um die gedrückte Stimmung zu durchbrechen.

»Keine Ahnung!« Papa zuckte mit den Achseln. »Ein Freund meines Vaters vielleicht, noch vor dem Ersten Weltkrieg.« Er blätterte die steife Seite um.



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