004 - Die Farbe der Rache by Cornelia Funke

004 - Die Farbe der Rache by Cornelia Funke

Autor:Cornelia Funke [Funke, Cornelia]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Fantasy/Sci-Fi
ISBN: 9783986420093
Herausgeber: Dressler E-Books


Pinselstriche

Ich träume von meinem Bild, und dann male ich meinen Traum.

Vincent van Gogh

Orpheus’ neuer Wächter war sehr viel jünger und sehniger als der grobe Klotz, der Farid so übel mitgespielt hatte, doch in Grappas jungen Augen nistete das gleiche Desinteresse an den Schmerzen anderer. Staubfinger sah ihn bloß eine Maus töten, aber das war aufschlussreich genug. Töten war ein Handwerk für Grappa, das man besser zügig und ohne störende Gefühle erledigte.

Staubfinger wusste nicht, ob es Tag oder Nacht war, als Grappa die Tür aufschloss und ihn aus der Zelle winkte. Er schlang sich die Fesseln so um die Hände, dass die durchgesengten Enden dem Türwächter nicht auffielen, bevor er ihm folgte. Es war Nacht, Staubfinger sah das, sobald er aus der Kellertür trat. Der Innenhof, in dem es bei seiner Ankunft von Handwerkern gewimmelt hatte, war menschenleer, aber die oberen Stockwerke waren erleuchtet von Fackeln. Sie warfen ihr flackerndes Licht durch die Treppenbrüstungen und gaben dem Haus das Aussehen eines Theaters, das nur auf seinen Auftritt wartete.

Ein Diener huschte aus einer Tür hinter den Säulen und starrte Staubfinger neugierig nach, als Grappa ihn zu der weiten Treppe zog, die nach oben führte. Was hatte er gehört? Dass er ein Schurke war, der Orpheus verraten hatte? Oder glaubte er, dass Orpheus ihn wie das Mädchen, das auf dem Stroh geschlafen hatte, an die Schattenleserin verkaufen würde, mit der er handelte? Staubfinger glaubte, Mitgefühl in dem ausgezehrten Gesicht zu entdecken und die Frage, was mit dem Gefangenen am Ende der Treppe passieren würde.

Das fragte Staubfinger sich auch.

Sie stiegen hinauf in den zweiten Stock. Grappa blieb sein wachsamer Schatten, bis sie vor einer schweren Tür standen, die ein O aus Silber schmückte. Die Fackel, die daneben brannte, flüsterte Staubfinger ein Willkommen zu, und für einen Moment war er sehr versucht, sich die Flamme auf die Schulter zu locken und einen Marder aus Feuer mit durch die Tür zu nehmen, an die Grappa klopfte. Aber das Feuer würde ihm nicht helfen können, dafür hatte Orpheus mit dem Buch gesorgt.

»Herein.«

Wie sehr hatte er gewünscht, diese Stimme nie wieder zu hören!

Orpheus war älter geworden. Er hatte zwar immer noch das Gesicht eines Jungen, aber nun war es das eines alternden Jungen, und der Bart, mit dem er versuchte, seinen Zügen etwas mehr Schwere zu geben, zeigte Ansätze von Grau. Die Kleider, die er trug, sprachen ebenso von Reichtum wie der Raum, in dem er stand. Roxanes Haus hätte dreimal hineingepasst. Die hohen Fenster lieferten ein Panorama von Grunicos vereisten Dächern und den umliegenden Bergen, die der Mond grau und weiß aus der Nacht löste, und der Schreibtisch aus dunklem Holz, der in der Mitte des Raumes stand, hätte Staubfinger gereicht, um eine Vorstellung darauf zu geben. Es gab noch ein kleineres Schreibpult am Fenster. Der Glasmann stand darauf, zwischen einem Krug mit Pinseln und einem Glas mit angerührter grauer Farbe. Eisenglanz lächelte Staubfinger hämisch zu.

»Ich hoffe, du konntest dich in meinen Kellergemächern etwas aufwärmen, Feuertänzer.« Seine Stimme klang, als kratzte eine Messerspitze über Glas.

»Und du willst dich heute offenbar nicht als Dieb oder Wegelagerer betätigen?«, gab Staubfinger zurück.



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