Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer - Erster Band (German Edition) by Jules Verne

Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer - Erster Band (German Edition) by Jules Verne

Autor:Jules Verne [Verne, Jules]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2011-03-27T22:00:00+00:00


Fünfzehntes Capitel

Eine briefliche Einladung

Am folgenden Tage, den 9. November, erwachte ich spät, erst nach zwölfstündigem Schlaf. Conseil kam, wie gewöhnlich, und erkundigte sich, wie »sein Herr« geschlafen, und um seine Dienste anzubieten. Der Canadier schlief noch immer fort, als wie ein Mensch, der sein Lebtag nichts anders thut.

Ich ließ den wackern Jungen nach Belieben schwatzen, ohne ihm viel zu antworten. Die Abwesenheit des Kapitän Nemo während unserer gestrigen Unterhaltung machte mir Gedanken, und ich hoffte ihn heute wieder zu sehen.

Ich zog alsbald meine Byssuskleider an. Ueber die Beschaffenheit dieses Stoffes machte Conseil öfters seine Bemerkungen. Ich belehrte ihn nun, daß er aus den glänzenden seltenartigen Fasern gemacht sei, womit eine Art an den Ufern des Mittelländischen Meeres sehr häufiger Muscheln an die Felsen geheftet ist. Früher bereitete man daraus schöne Zeuge, Strümpfe, Handschuhe, denn sie waren zugleich kernhaft und sehr warm. Die Mannschaft des Nautilus ließ sich darin billig kleiden, und man konnte die Baumwolle, Schafe und Seidenwürmer der Oberwelt entbehren.

Als ich angekleidet war, begab ich mich in den großen Saal. Er war leer.

Ich vertiefte mich in die Betrachtung der Conchylienschätze, welche unter Glasscheiben geordnet waren, musterte auch die umfassenden Herbarien voll der seltensten Meerespflanzen, die, obwohl getrocknet, doch ihre wunderschönen Farben bewahrt hatten.

Diesen ganzen Tag über wurde ich nicht mit einem Besuch des Kapitäns Nemo beehrt. Die Fensterläden blieben geschlossen. Man wollte wohl uns nicht mit dem Anblick so schöner Dinge übersättigen.

Die Richtung des Nautilus blieb unverändert Ost-Nord-Ost, seine Geschwindigkeit zwölf Meilen, seine Tiefe fünfzig bis sechzig Meter.

Am 10. November gleiche Verlassenheit, gleiche Einsamkeit. Kein Mensch von der Bemannung kam mir zu Gesicht. Den größten Theil des Tages verbrachte ich in Gesellschaft von Ned und Conseil. Sie waren erstaunt über die unerklärliche Abwesenheit des Kapitäns. War der seltsame Mann krank? Wollte er in Beziehung auf uns seine Absicht ändern?

Trotzdem genossen wir, wie Conseil meinte, vollständige Freiheit, köstliche und reichliche Nahrung. Unser Wirth hielt sich innerhalb unsers Vertrags. Wir hatten nicht zu klagen, und zudem gewährten uns noch die besonderen Umstände, womit unser Schicksal verknüpft war, so schöne Entschädigung, daß wir ihm keinen Vorwurf zu machen hatten.

An diesem Tag begann ich mein Tagebuch, so daß ich darnach alles mit größter Genauigkeit berichten kann; und ich schrieb es auf Papier, das aus Seegras gefertigt war.

Am 11. November, früh Morgens, gab mir die im Innern des Nautilus verbreitete frische Luft zu erkennen, daß wir uns auf die Oberfläche des Meeres begeben hatten, um unsern Vorrath von Sauerstoff zu ergänzen. Ich stieg auf der im Mittelpunkt befindlichen Leiter zur Plateform hinauf.

Es war sechs Uhr. Der Himmel zeigte sich bedeckt, das Meer grau, doch ruhig; kaum eine Bewegung der Wellen. Sollte wohl der Kapitän Nemo, wie ich hoffte, sich einfinden? Ich bemerkte nur den Steuerer in seinem Glas-Gehäuse. Ich setzte mich auf einen Vorsprung, welchen der Rumpf des Bootes gewährte, und athmete mit Behagen die köstliche Seeluft ein.

Allmälig ward der Nebel durch die Strahlen der Sonne zerstreut, die im Osten am Horizont emporstieg. Das Meer gerieth wie durch ein Laufpulver in Flammen. Das in der Höhe zerstreute Gewölk färbte sich in wunderbarer Schattirung der Töne.



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