Zukunftsentwürfe des Leibes by Robert Stefan

Autor:Robert Stefan
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783658279240
Herausgeber: Springer Fachmedien Wiesbaden

Extended cognition

bedeutet, dass Kognition sich in aller Regel schon auf Gegenstände in der näheren Umwelt des Organismus und auf andere organische und auch nichtorganismische Entitäten ausdehnt, oder etwas unfreundlicher formuliert, diese für ihre Zwecke benutzt (Clark 2008; Clark und Chalmers 1998). Hauptargument der beiden Autoren ist, dass nicht klar unterschieden werden kann, oder es keinen wesentlichen Unterschied macht, ob kognitive Prozesse sich biologischer Substrate wie Gehirn und Körper oder sich nicht biologischer, dem Organismus physikalisch äußerlicher Objekte bedienen, um sich zu realisieren. Es wird dabei ins Treffen geführt, dass die ganz zur Selbstverständlichkeit gewordene Verwendung von Notizbüchern oder Smartphones eine solche Erweiterung des kognitiven Akteurs darstellt. Auch hier ist anzumerken, dass Merleau-Ponty schon detailliert ausgeführt hat, wie Werkzeuge und Gegenstände als Instrumente durch den Leib ins Körperschema einbezogen werden und so dem Subjekt aufgrund neurozerebraler bzw. gesamtneurosensomotorischer Prozesse zur Verfügung stehen. Im begrifflichen Rahmen von extended cognition kann Kognition nicht mehr mit Gehirnstoffwechselprozessen allein identifiziert werden, wobei Andy Clark – maßgeblichster Proponent des extended mind – ohne Unterlass daran festhält, dass die konkrete Maschinerie der Kognition definitiv im Kopf sei (Clark 2009).

In der Integrativen Therapie würde man sagen, das Smartphone ist eben keine wirkliche Extension, weil es kein Lebensprozess ist, und daher kein ko-respondierendes Leben in vollem Sinne ermöglicht. Extendierte Kognition ist gewissermaßen die tendenziell klassische, funktionalistische Variante von enaktiver Kognition. Aus Sicht des Enaktivismus würde man genau diesem letzten Punkt kritisch begegnen, weil damit die dynamisch ko-emergente Konstitution, wie zuvor mit Thompson vorgestellt, zu einem bloßen Kausalverhältnis verkürzt werde (vgl. Gallagher 2017, S. 18–19). Es lässt sich vielleicht auch sagen, dass extended cognition in der ursprünglichen Formulierung von Clark und Chalmers eben wirklich nur auf klassische Kognition anwendbar ist. Dies hat dann, um es noch prägnanter abzugrenzen, wenig mit Intentionalität im Sinne der Phänomenologie zu tun. Inwieweit es sinnvoll ist, den klassischen Kognitionsbegriff so weit auszudehnen, darf natürlich gefragt werden.

Besonders fruchtbar und zukunftsweisend scheint aus der Perspektive der Integrativen Therapie der enaktive oder 4E Ansatz deshalb, weil er komplementär zum phänomenologischen aufgrund seiner naturalistischen Orientierung leichter anschlussfähig an experimentelle Forschung ist, wodurch sich neue Perspektiven und Strategien zur Erforschung von Leiblichkeit und Erfahrung ergeben (siehe Abschn. 5.6). Ich werde in Referenz zu diesem Paradigma von 4E Kognition aber auch von enaktiven Modellen oder Ansätzen sprechen, da diese beiden Begriffe, sieht man von immanenten Detailfragen ab, sehr Ähnliches bedeuten und in der Fachliteratur auch vielfach synonym verwendet werden.

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