Zeit der Dunkelheit: Thriller (German Edition) by Larson Thomas

Autor:Larson, Thomas [Larson, Thomas]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-01-13T16:00:00+00:00

Kapitel 15: August Brandt

24. Juli 1944

Letzte Nacht kam der Mann mit dem nichtssagenden Gesicht wieder. Er wartete nicht auf den Schutz der Dunkelheit; er klopfte um kurz nach sieben Uhr an meiner Tür, als ich gerade das Abendessen vorbereitete. Wir aßen zusammen, anschließend begaben wir uns ins Wohnzimmer, wo wir Whiskey tranken und wie alte Freunde über dieses und jenes redeten. Dabei konnte ich mich des Gefühls nicht erwehren, dass es schon viel zu lange her war, seit ich das letzte Mal in den Genuss eines solchen Gesprächs gekommen war.

Als ich in New Orleans lebte, begegnete ich einem Mann namens Adam Richert. Zunächst waren es seine Augen – von einer bemerkenswerten blauen Schattierung –, die mein Interesse gewannen. Später waren es sein adonisgleicher Körper, sein scharfer Verstand und seine innere Stärke, die die Wirkung eines Banns auf mich hatten. Als der Tag kam, an dem er mich fragte, ob ich ihn in Milton besuchen kommen wolle, war ich New Orleans schon lange überdrüssig, sodass ich nicht lange überlegen musste.

Obgleich in New Orleans viel gelacht und gefeiert wurde, und die Frivolität, Genusssucht und Gewissenlosigkeit dieser Stadt anfangs durchaus einen starken Reiz auf mich ausübten, so dauerte es nicht lange, bis ich ihren faulen Geruch wahrnahm, der die Straßen und Menschen zu durchdringen schien. Ich erkannte, dass die Feierlichkeiten und Ausschweifungen nichts anderes als eine Maskierung waren, hinter der sich ein verfaultes Inneres verbarg, ähnlich einem dünnen Baumwolltuch, das auf dem Gesicht eines Leprakranken liegt.

Und so stieg ich in den Zug, der mich nach Austin, Texas, bringen würde.

Adam empfing mich am Bahnhof. Während der Autofahrt nach Milton erzählte er mir alles, was er über das Städtchen wusste, und als wir schließlich dort ankamen, wurde ich von einem mir bisher unbekannten Gefühl tiefster Ruhe übermannt. Ich freute mich darauf, eine Zeit lang fernab der großen Städte zu verbringen, fort vom allwährenden Lärm und den Menschenmassen. Im rötlichen Schein der untergehenden Sonne fuhren wir mit gemächlichem Tempo in die Stadt hinein, und da wurde ich mir meinem Sehnen nach Zurückgezogenheit zum ersten Mal bewusst.

Zwischen Adam und mir entwickelte sich eine tiefe Beziehung, und obwohl wir uns nur selten zusammen in der Öffentlichkeit zeigten, verbrachten wir viel Zeit miteinander. An manchen Tagen kam es vor, dass mich Unruhe befiel und plötzliche Wut sich meiner bemächtigte, denn Gewalt war so sehr ein Teil von mir wie die Farbe meiner Augen. Doch mein altes Leben rückte immer ferner in die Vergangenheit, und schließlich erkannte ich, dass jenes Grab in München nicht wirklich leer gewesen war; damals war ich nicht nur gezwungen, mich meiner Identität zu entledigen – ein schmerzhafter Prozess, der einer Häutung gleichkam –, auch ein essentieller Teil meines Wesens verstarb, als man mich in einer Zelle niederstreckte.

Adam überließ mir einen Wagen, denn er besaß drei davon. Aber da hörte seine Großzügigkeit bei weitem nicht auf. Ihm habe ich das Haus am See zu verdanken. Ich stehe für immer in seiner Schuld; eine Schuld, die ich niemals begleichen kann, denn das Lebenslicht dieses Mannes erlosch viel zu früh.

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