Wolkenjahre - Vierter Teil der Jahrhundert-Saga by Eva-Maria Bast

Wolkenjahre - Vierter Teil der Jahrhundert-Saga by Eva-Maria Bast

Autor:Eva-Maria Bast
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Gmeiner-Verlag
veröffentlicht: 2018-02-21T00:00:00+00:00


43. Kapitel

62 Jahre zuvor

Überlingen, Bodensee, Mai 1951

Sebastian hatte sich an sein Leben als Abgeordneter des Deutschen Bundestags gewöhnt – und an sein Leben als Pendler. Er genoss die parlamentarische Arbeit, er genoss es, dieses neu entstehende Land mit zu formen und er bewunderte Konrad Adenauer. »Es war das Beste, was uns passieren konnte, dass er Bundeskanzler wurde, auch wenn er kein SPD-Abgeordneter ist«, sagte er immer wieder zu Johanna. »Das darf ich natürlich nicht laut sagen – das sage ich nur zu dir und es muss dein Geheimnis sein.«

Wie so oft lagen sie im Bett – ihre Beziehung hatte eine völlig neue Wendung genommen, seit er bei der Vereidigung des Deutschen Bundestags nur an sie hatte denken müssen. Und sie hatten das Haus für sich. Melissa war in der Schule und Roman in der Firma. Zwar hatte es Johanna noch nicht hinbekommen, ihn ganz zum Ausziehen zu bewegen, aber sie hatte ihm eine Stelle in ihrer Konstanzer Firma verschafft, sodass er wenigstens tagsüber aus dem Haus war. Und innerhalb des Alten Schulhauses war er in eine Art Einliegerwohnung gezogen. Nun war zumindest ein kleiner Abstand gegeben, wodurch sich auch Melissa wohler fühlte. Und Johanna hatte Sebastian versprochen, sobald wie möglich eine andere Lösung zu finden.

»Ich bin stolz auf dich«, murmelte sie nun. »Ich bin stolz darauf, wie du deine Arbeit tust und dass du sozusagen zu den Vätern der Republik gehörst. Zu jenen, die mit dem, was sie tun, dazu beitragen, dass das, was wir hatten, nie wieder passieren wird.«

Er zog sie näher an sich. »Und ich bin froh, dass du schon seit so vielen Jahren an meiner Seite bist. Dass du alle Hochs und Tiefs mit mir durchgestanden hast. Und dass du immer noch so wunderschön bist.« Obwohl sie sich gerade erst geliebt hatten, spürte Johanna, dass er sie schon wieder begehrte, und auch in ihr entflammte die Lust erneut – wie immer, wenn sie in seinen Armen lag. Sich ihm, der Lust und seiner Liebe hinzugeben – dafür lebte sie in den letzten Wochen und Monaten.

Dann, und nur dann, ließ sich die endlose Leere füllen, die der Verlust Susannes in ihr Leben gerissen hatte.

Inzwischen konnte sie mit Sebastian über Susanne sprechen. Sie taten es oft. Sehr oft sogar. Meistens begannen ihre Sätze mit einem »weißt du noch«, und sie konnten sich sogar mittlerweile an den schönen Erinnerungen freuen.

»Ich vermisse Susanne so sehr«, sagte Johanna. »Und ich frage mich, ob ich etwas hätte anders machen können.« Es war das erste Mal, dass sie es aussprach, dass sie von der Schuld sprach, die sie in sich spürte. Die hatte sie als so groß und so gewaltig empfunden, dass es eine ganze Weile dauerte, bis sie sie vor sich selbst eingestehen konnte.

Er sah sie aufmerksam an. Spürte, dass jetzt endlich kam, was sie schon so lange bedrückte.

»Ich war es, die ihr den Vorschlag mit dem Rollentausch gemacht hat«, flüsterte sie. »Ich war es, die ihr angeboten hat, dass ich eine Schwangerschaft vortäusche, damit alle denken, Melissa sei mein und nicht ihr Kind.



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