Aufzeichnungen aus einem Totenhaus by Dostojewski Fjodor

Aufzeichnungen aus einem Totenhaus by Dostojewski Fjodor

Autor:Dostojewski, Fjodor
Die sprache: deu
Format: epub


Zweiter Teil

I

Das Hospital

Bald nach den Feiertagen erkrankte ich und kam ins Militärspital. Es stand abseits, eine halbe Werst von der Festung entfernt. Es war ein langgestrecktes, gelbgestrichenes Gebäude. Im Sommer, wenn alle Baulichkeiten renoviert wurden, verwendete man darauf eine außerordentliche Menge Ocker. Auf dem riesengroßen Hofe befanden sich die Wirtschaftsgebäude, Häuser für das ärztliche Personal und sonstige notwendige Baulichkeiten. Im Hauptbau lagen ausschließlich die Krankensäle. Es gab ihrer viele, aber nur zwei von ihnen waren für die Sträflinge bestimmt. Sie waren immer außerordentlich überfüllt, besonders aber im Sommer, so daß man oft die Betten Zusammenrücken mußte. Unsere Krankensäle waren von »Unglücklichen« aller Art angefüllt. Es waren Leute aus unserem Zuchthause dabei, auch solche, die als Angeklagte vor dem Kriegsgericht standen und in verschiedenen Arrestlokalen saßen, Verurteilte und auch Nichtverurteilte; es gab auch welche aus der Korrektionskompagnie, einer seltsamen Einrichtung, in welche Soldaten, die sich etwas zuschulden kommen ließen, und auch solche, auf die kein besonderer Verlaß war, zwecks Besserung ihrer Aufführung gesteckt wurden und die sie gewöhnlich nach zwei oder mehr Jahren als solche Schurken verließen, wie man sie selten findet. Wenn ein Arrestant bei uns erkrankte, so meldete er es gewöhnlich am Morgen dem Unteroffizier. Der Kranke wurde dann sofort in ein Buch eingetragen und mit diesem Buch in Begleitung eines Wachsoldaten ins Bataillonslazarett geschickt. Der dortige Arzt untersuchte zunächst alle Kranken aus sämtlichen in der Festung untergebrachten Militärkommandos und schickte diejenigen, die er für wirklich krank hielt, ins Hospital. So wurde auch ich ins Buch eingetragen und begab mich gegen zwei Uhr, als alle Unsrigen aus dem Zuchthause zur Nachmittagsarbeit gegangen waren, ins Hospital. Ein kranker Arrestant pflegte möglichst viel Geld und Brot mitzunehmen, da er am ersten Tage im Hospital noch keine Ration zu erwarten hatte; ferner ein winziges Pfeifchen, einen Tabaksbeutel und einen Feuerstein nebst Stahl. Die letztgenannten Gegenstände pflegte man sorgfältig in den Stiefeln zu verstecken. Ich betrat das Hospital nicht ohne eine gewisse Neugier auf diese neue, mir noch unbekannte Variation unseres Arrestantendaseins.

Der Tag war warm, trüb und traurig, – einer jener Tage, an denen solche Anstalten wie ein Hospital ein besonders nüchternes, unfreundliches und griesgrämiges Aussehen haben. Ich betrat mit dem Wachsoldaten das Aufnahmezimmer, wo zwei kupferne Wannen standen und schon zwei kranke Angeklagte mit ihren Wachsoldaten warteten. Der Feldscher kam, musterte uns mit einem faulen und hochmütigen Ausdruck und begab sich noch fauler zum diensthabenden Arzt mit der Meldung. Dieser kam bald, untersuchte uns, behandelte uns sehr freundlich und gab einem jeden von uns einen »Krankenbogen«, auf dem der Name des Betreffenden verzeichnet war. Die fernere Beschreibung der Krankheit, die Verordnung der Arzneien und Beköstigung oblag aber einem der Assistenzärzte, die die Arrestantensäle unter sich hatten. Ich hatte auch schon früher gehört, daß die Arrestanten diese Ärzte gar nicht genug loben konnten. »Sie sind besser als leibliche Väter!« antworteten sie mir auf meine Fragen, bevor ich mich ins Spital begab. Indessen hatten wir uns umgekleidet. Die Kleider und die Wäschestücke, in denen wir gekommen waren, wurden uns abgenommen, und man bekleidete uns



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