Wo die Drachen fliegen by Hagerup Klaus

Wo die Drachen fliegen by Hagerup Klaus

Autor:Hagerup, Klaus [Hagerup, Klaus]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Die Sonne stand noch tief am Himmel und Rasen und Haus lagen im Schatten. Die Vorhänge waren zugezogen. Sie ging zur Tür und schellte. Er macht bestimmt nicht auf, dachte sie. Aber ich schelle trotzdem.

»Hier ist Ellen Svift«, rief sie. »Ich bringe den Drachen.« Sie versuchte die Tür zu öffnen, doch sie war abgeschlossen. So leicht kommt er mir nicht davon, dachte sie. Sie zitterte vor Angst, aber das spielte jetzt keine Rolle. Sie wollte ihm seinen Privatdrachen aushändigen und ihm ganz klar die Meinung sagen. Sollte er doch erzählen, was er wollte. Niemand hatte das Recht, einen anderen Menschen so zu behandeln, wie Fredrik Fredriksen seinen Sohn behandelte.

»Ich weiß, dass Sie da sind!«, rief sie. »Ihr seid beide da!«

Keine Antwort. Sie ging die Treppe wieder hinunter und zur Rückseite des Hauses. Hinter einem Fenster brannte Licht. Sie schaute ins Schlafzimmer.

Der Junge saß im Bett. Er trug einen gestreiften Schlafanzug. Er las die »Pickwickier« und sah kein bisschen traurig aus.

Ellen klopfte an die Fensterscheibe. Der Junge bemerkte sie und wurde rot, als sei es ihm peinlich, beim Lesen ertappt worden zu sein. Sie winkte ihm zu und zeigte auf den Drachen, den sie mitgebracht hatte.

»Ich bring ihn jetzt ins Haus«, rief sie.

Er schüttelte den Kopf, aber sie lief schon wieder zur anderen Hausseite. Diesmal gebe ich mich nicht so schnell geschlagen, dachte sie beim Klingeln. Es blieb sehr lange still, doch sie wusste, dass er kommen würde. Jetzt hörte sie auf dem Gang Schritte. Der Schlüssel wurde umgedreht.

»Hallo«, sagte sie. »Ich...«

Es war Fredrik Fredriksen. Er trug einen dunkelblauen Morgenrock und den gleichen Schlafanzug wie sein Sohn. Das Herz rutschte ihr in die Hose. Fredrik Fredriksen blickte sie zornig an.

»Ja?«

»Verzeihung, ich dachte...«

»Was denn?«

»Sie wären... Ihr Sohn.«

»Mein Sohn?«

Er starrte sie mit seltsamem Blick an.

»Ja, aber jetzt sehe ich ja, dass Sie es nicht sind.«

»Ach.«

Er starrte sie noch immer an. Er schien ihre tiefsten Geheimnisse zu durchschauen. Jetzt war Ellen diejenige, die rot wurde.

»Ich... ich bringe den Drachen.«

»Ich werde ihn ihm geben.«

Sie reichte ihm den Drachen.

»Ist das seiner?«

Seine Augen bohrten sich in ihre. Sie hatte das Gefühl, bald auch seine tiefsten Geheimnisse durchschauen zu können. Und dann würde sein Blick anfangen zu flackern.

»Ja«, sagte er. »Das ist Freddys privater Drachen.«

Freddy! Der Junge am Fenster hatte einen Namen. Er hieß Freddy. Freddy Fredriksen!

»Ich dachte, ich... kann ich ihm nicht guten Tag sagen?«

»Nein, das geht nicht. Er will nicht gestört werden, ebenso wenig wie ich«, sagte Fredrik Fredriksen und knallte die Tür zu.



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