Wie alle anderen by Burnside John

Wie alle anderen by Burnside John

Autor:Burnside, John
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Knaus
veröffentlicht: 2016-06-10T11:10:31+00:00


Also das nenne ich eine Definition von normal. Eine erstaunliche Gabe zur Selbsttäuschung. Das gewöhnliche Als ob, das die Tage miteinander verknüpft. Wir müssen so tun als ob, sagte Stendhal. Wenn uns das nicht mehr gelingt, sind wir verloren. Und wer sich nicht selbst täuschen kann, der laufe davon.

Am Ende bin ich davongelaufen, wenn auch nicht schnell genug. Die Details dessen, was zu meiner Flucht führte, sind schwerlich interessant und alles andere als klar umrissen. Nichts von dem, was ich in jenen Tagen tat, hielt lange vor; und besessen vom Mysterium der Furcht rückte, was als Liebesgeschichte begann, rasch zu jenem Ort vor, an dem zwei Menschen herauszufinden versuchen, wie weit sie gehen können – während all der Zeit aber verwirrte mich mein Tun, was auch für sie galt, obwohl ich die treibende Kraft war. Ich war stets derjenige, der weiterdrängte, immer derjenige, der aufs nächste Spielfeld vorrückte, und am Ende war ich es auch, der sich von jener düsteren Zärtlichkeit überwältigen ließ, die zwischen uns aufgekommen war, der Erste, der fortlief, der Erste, der widerrief – und der Erste, der sich fragte, wann es nach unserem letzten betrunkenen und leicht übelkeiterregenden Nachmittag im Haus der Vasen und stillstehenden Uhren eigentlich schiefgelaufen war.

* * *

Im Zug nach Waterloo mit Schlips und adrettem Jackett – das lasche Beamtenleben erlaubte es mir, nicht während der Rushhour, sondern am späten Vormittag zu fahren, wenn der übliche Pendleransturm bereits nachgelassen hatte – machte ich es mir gerade mit einem guten Buch bequem, als ein Geist durch den Gang meines Abteils schritt. Anfangs konnte ich es nicht glauben. Sie schien sich auf den ersten Blick kaum verändert zu haben – das Haar ein wenig kürzer, die Augen nicht mehr ganz so dunkel, und sie trug einen marineblauen Hosenanzug, als wäre sie unterwegs zu einem Businessmeeting –, trotzdem glaubte ich, mich irren zu müssen. Ich nehme an, ihr ging es ähnlich, und noch im letzten Moment vor dem eigentlichen Wiedererkennen – vielmehr vor der Sekunde, in der ich mich damit abfand, dass das, was ich sah, weder Illusion noch Sinnestäuschung war – hätte ich sie vorübergehen lassen können. Vielleicht hätte ich das tun sollen, sie aber entschied sich dafür stehen zu bleiben, sich hinzusetzen und uns dann, als wären wir nichts weiter als alte Bekannte, die sich zufällig auf dem Weg zur Arbeit begegneten, durch jene Art Konversation zu steuern, wie sie unter derlei Umständen vermutlich typisch war. Bis London redeten wir ohne Unterlass: Sie arbeite für eine Unternehmensberatung, sagte sie, hielt sich mit Einzelheiten aber sehr bedeckt, und nein, sie wohne nicht in Woking, sondern in Hampshire, in einem Dorf unweit von Alton. Sie war verheiratet, hatte keine Kinder, und was war mit mir? Sie schien es amüsant zu finden, sich mich in einem Büro vorzustellen, machte aber nicht zu viel Aufhebens darum. Eigentlich schien ihr nichts sonderlich wichtig zu sein, sah man einmal von der Tatsache ab, dass ich in Guildford wohnte, wo sie samstagnachmittags manchmal einkaufen ging; und nach und nach entspannte ich



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