Wer den Wind sät: Was westliche Politik im Orient anrichtet by Michael Lüders

Wer den Wind sät: Was westliche Politik im Orient anrichtet by Michael Lüders

Autor:Michael Lüders [Lüders, Michael]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Politik & Geschichte
ISBN: 9783406677502
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 2015-09-01T22:00:00+00:00


Das Bayern München des Dschihad

Bemerkenswert am Siegeszug des «Islamischen Staates» in den sunnitischen Gebieten Iraks im Juni 2014 war weniger das rasche Vordringen selbst, das immerhin in dessen Kernland stattfand, als vielmehr das Versagen der irakischen Armee. Die meisten der rund 100.000 Soldaten entlang der Frontlinien sind kampflos geflohen und ließen dabei ihre hochmodernen, amerikanischen Waffen zurück, darunter Panzer und Flugzeuge. Zuvor bereits hatte der «Islamische Staat» zahlreiche Waffenlieferungen in Syrien abgefangen, die Amerikaner wie Golfaraber eigentlich «guten» Dschihadisten zugedacht hatten. Die «New York Times» bezifferte den Gesamtwert der vom IS erbeuteten Waffen im September 2014 auf mehrere hundert Millionen Dollar. Damit spätestens wurde er zu einem regionalen Machtfaktor, ist der «Islamische Staat» die am besten ausgerüstete Dschihadisten-Gruppierung weltweit. In Verbindung mit der gerade radikale Islamisten ansprechenden Kalifatsidee, die Eroberung und Raub verheißt und eine Kampfansage an die wenig gelittenen Golfmonarchien wie auch den verhassten Westen beinhaltet, wurde der IS gewissermaßen Kult. Er ist das winning team, er ist, mit Verlaub, das Bayern München des Dschihad. Für Al-Qaida interessiert sich unter jüngeren Dschihadisten kaum noch jemand, stattdessen strömen Tausende Glaubenskämpfer aus Nordafrika, Europa, dem Nahen Osten, dem Kaukasus, dem Fernen Osten, in Richtung Syrien und Irak, meist über die Türkei.

Man kann es den irakischen Soldaten nicht verdenken, dass sie geflohen sind. Alle Führungsränge in der irakischen Armee sind käuflich, die Offiziere und Generäle haben sich meist als Erste abgesetzt. Warum sollte ein Rekrut oder einfacher Soldat für 60 Dollar Monatssalär sein Leben riskieren? Für die ebenso korrupte wie unfähige Zentralregierung in Bagdad?

Ganz anders die Motivation der IS-Kämpfer. Sie befinden sich durchgehend in einer «Win-win»-Situation. Töten sie Gegner und Feinde, erhalten sie gewissermaßen Bonuspunkte für ihren Aufstieg in den siebten Himmel, die höchste Stufe des Paradieses. Sterben sie als «Märtyrer», landen sie sofort ganz oben, wo glutäugige, vorzugsweise blonde oder blondierte Jungfrauen es kaum erwarten können, die furchtlosen Helden leidenschaftlich zu verwöhnen. Die Wirkungsmacht erotisch aufgeladener Verheißungen ist im Umfeld einer sexuell zumeist repressiven Gesellschaft wie der orientalischen nicht zu unterschätzen. Für IS-Kämpfer sind Vergewaltigungen «ungläubiger» Frauen, auch in Form von Zwangsprostitution, gang und gäbe. Das hat sich herumgesprochen und ist für junge Männer, die unter normalen Umständen keine Chance auf Sex außerhalb der Ehe haben und gleichzeitig zu arm sind, um zu heiraten, ein attraktives Angebot.

Die Todesverachtung zumindest eines großen Teils der IS-Kämpfer gehört zur Kriegsstrategie. Vielfach haben sie bei ihrem Vormarsch nur in den Stadtverwaltungen oder in den Kasernen angerufen und mitgeteilt: Wir kommen. Und wir freuen uns auf den Tod. Das reichte, um Panik, Flucht und Kapitulation auszulösen, nicht zuletzt aufgrund der im Internet kursierenden Enthauptungs-Videos. Auch Mossul haben sie auf diese Weise eingenommen, beinahe kampflos.

Sunniten, die den Herrschaftsanspruch und die damit einhergehende Ideologie des IS anerkennen, haben nichts zu befürchten. Angehörige religiöser Minderheiten werden aufgefordert zum Islam zu konvertieren. Christen können, wenn sie Glück haben, alternativ eine «Kopfsteuer» entrichten. Lassen sie sich darauf nicht ein, riskieren sie ihren Tod. Schiiten, die dem IS in die Hände fallen, werden ebenso wie gefangengenommene Regimesoldaten oder kurdische Kämpfer in aller Regel sofort erschossen, oft genug zu Hunderten.



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