Wenn das Schlachten vorbei ist - Boyle, T: Wenn das Schlachten vorbei ist by T. C. Boyle

Wenn das Schlachten vorbei ist - Boyle, T: Wenn das Schlachten vorbei ist by T. C. Boyle

Autor:T. C. Boyle [Boyle, T. C.]
Die sprache: de
Format: mobi
Tags: Roman
ISBN: 9783446239524
Herausgeber: Hanser, Carl GmbH + Co.
veröffentlicht: 2011-02-14T23:00:00+00:00


SUS SCROFA

Aus Träumen voller Erschöpfung – ihr Traum-Ich ist so erledigt, dass es gar nicht mehr denken kann, die Beine sind wie aus Stein, die Arme bleischwer, die Hände so schwach, dass es kaum die Decke zurückschlagen und ins Bett kriechen kann – erwacht Alma im ersten zaghaften Schimmern des Morgenlichts. Es liegt bebend auf der Zimmerdecke über ihr, noch nicht ganz bereit, sich zu verdichten, und die Bäume vor dem offenen Fenster sind noch dunkel, hager und steifbeinig. Vom Meer ertönt das sanfte, unaufhörliche Rauschen der Brandung, das nicht zu unterscheiden ist vom Rauschen der Schnellstraße jenseits der Schlafzimmerwand und nur vom fernen, einsamen Schrei eines über den Wellen schwebenden Vogels unterbrochen wird. Sie liegt da und findet sich langsam zurecht, begleitet von einem beharrlichen Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung ist, bis sie sich ganz allmählich des starken, durchdringenden Aromas bewusst wird, das sich durch den Flur ausgebreitet hat und nun die Treppe hinauf und durch die Ritze unter der Tür kriecht, um sie zurück in ihre Kindheit zu zerren: Speck brät in der Pfanne und gibt seine Salze und Nitrate und die schwere Last tierischen Fetts frei.

Sie braucht einen Augenblick, um zu begreifen: Dies ist ihre Kindheit. So unwahrscheinlich es auch sein mag, zumal in einem vegetarischen Haushalt, macht sich um – sie blinzelt in Richtung Digitalwecker – halb sieben Uhr morgens in der Küche eine mütterliche Gestalt zu schaffen, prüft Töpfe und Pfannen, schaltet die Kaffeemaschine und den Toaster ein und legt dünne Streifen gepökelten Schweinefleischs kreuzweise übereinander in die Edelstahlpfanne, ohne Deckel. Überall werden Fettspritzer sein, auf dem Herd, dem Boden, der Teekanne, und der Geruch nach versengtem Fleisch wird wie Zigarettenrauch in einem Nichtraucherhaus in die Ecken, die Teppiche und Vorhänge ziehen und wochen-, ja vielleicht monatelang nicht verschwinden. Sie hat noch nicht mal die Decke zurückgeworfen und sich aufgesetzt, da ist sie schon beunruhigt – oder nein, nicht beunruhigt, denn es ist ihre Mutter, die mit ihrem Stiefvater gestern abend zur Essenszeit unangekündigt gekommen ist, aber immerhin aus dem Rhythmus gebracht. Sie ist verärgert. Genervt. Aber was soll’s? Tatsache ist: Tim ist auf der Insel, ihre Mutter ist in der Küche, und sie selbst hat um Viertel vor acht ein Frühstücksmeeting.

Katherine »Kat« Boyd – den Namen Takesue hat sie nach dem Tod ihres Mannes abgelegt, und bei der zweiten Eheschließung hat sie ihren Mädchennamen behalten, denn das ist es, was sie immer war, das ist der Name, mit dem sie sich wohl fühlt – ist neunundfünfzig, klein, stämmig und leidet an einsetzender Diabetes und einer schleichenden Sucht nach Wodka und Diät-Tonic. Sie trägt das pfirsichfarbene Haar in einem Pagenschnitt, der sie jünger wirken lässt, als sie ist – jedenfalls hält man sie gewöhnlich für fünfzig oder fünfundfünfzig –, und sie trägt am liebsten Jeans und T-Shirt, die Uniform ihrer Generation. Zweiundzwanzig Jahre lang hat sie die dritte Klasse der Cœur-D’Alene-Grundschule in Venice unterrichtet, bevor sie sich in Scottsdale zur Ruhe gesetzt hat. Sie hat eine Antipathie gegen das Meer, eine Angst und Abneigung, die an Hass grenzt, und findet, dass sie genug Nebel für den Rest ihres Lebens gesehen hat.



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