Wayfarer 1: Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten by Becky Chambers

Wayfarer 1: Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten by Becky Chambers

Autor:Becky Chambers [Chambers, Becky]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Science Fiction
ISBN: 9783104037103
Herausgeber: Fischer
veröffentlicht: 2016-05-15T22:00:00+00:00


Tag 251, GU-Standard 306

Der letzte Krieg

Es gab nur wenig, was Dr. Koch mehr genoss als eine Tasse Tee. Natürlich machte er zum Frühstück jeden Tag Tee für die Crew, doch das war nur ein unpersönliches Häufchen Teeblätter, das er in eine klobige Kanne hängte. Eine einzelne Tasse Tee erforderte mehr Sorgfalt und eine Mischung, die mit Bedacht passend für den Tag ausgewählt wurde. Das Ritual dabei beruhigte ihn ungemein: das Erhitzen des Wassers, das Abmessen der getrockneten Blätter und Fruchtstücke in dem winzigen Sieb, das behutsame Wegstreichen der überschüssigen Menge, zuzuschauen, wie die Farbe beim Ziehen wie Rauch im Wasser aufstieg. Tee war ein launisches Getränk.

Auf seinem Heimatplaneten hatte es keinen Tee gegeben. In heißem Wasser schlief man nur, man trank es nicht. Wie viele Herrlichkeiten hatten sie verpasst, nur weil keiner auf die Idee gekommen war, sich das Zeug einzuverleiben! Kein Tee, keine Suppe, kein Mek – nun ja, der Mek war wohl kein großer Verlust. Die Leidenschaft seiner Crew für die trübe Brühe teilte er nicht. Irgendwie erinnerte sie ihn an nassen Dreck, und zwar nicht auf angenehme Weise.

Er saß auf einer Gartenbank im Goldfischglas, während sein Tee abkühlte und er sich bedächtig durch seine Gedanken arbeitete. Rosemary saß ihm gegenüber, den eigenen Becher in den knochigen Menschenhänden. Sie sagte nichts, während er laut dachte. Er wusste, wie fremd sie einander waren, er, weil er beim Denken nie stumm blieb, sie, weil sie keine Denklaute kannte. Er wusste allerdings auch, dass sie seine Geräusche inzwischen verstand, und deshalb fühlte ihr Schweigen sich wohltuend für ihn an.

Die Gedanken, die er hervorholte, waren alt, und er hielt sie sorgsam unter Verschluss. Kizzy hatte ihm einmal vorgeworfen, er würde »seine Gefühle unterdrücken«, aber das war ein menschlicher Begriff, die Vorstellung, man könne seine Gefühle wegschließen und so tun, als wären sie nicht da. Dr. Koch wusste genau, wo seine Gefühle waren, jede Freude, jeder Schmerz. Er musste nicht alle auf einmal aufsuchen, um zu wissen, wo sie sich befanden. Die menschliche Besessenheit von »Glück« hatte er nie richtig verstanden. Kein Wesen konnte ständig glücklich sein, genauso wenig wie jemand dauerhaft im Zorn, in Langeweile oder in Trauer verharren konnte. Trauer. Ja, das war das Gefühl, das er heute für Rosemary suchen sollte. Er floh weder vor seiner Trauer, noch leugnete er, dass sie da war. Er war imstande, sie aus der Distanz zu betrachten, wie ein Wissenschaftler, der Tiere beobachtete. Er nahm sie hin, akzeptierte sie, akzeptierte die Tatsache, dass sie nie mehr verschwinden würde. Sie gehörte genauso zu ihm wie alle angenehmen Gefühle. Vielleicht sogar noch mehr.

Mit einem Gurren gab er zu erkennen, dass er bereit war, und konzentrierte sich auf die Synchronisation seiner Stimmbänder. Er blickte in Rosemarys Augen mit den weißen Ringen. Und begann zu sprechen.

»Unsere Spezies sind sehr verschieden. Du hast zwei Hände, ich habe sechs. Du schläfst in einem Bett, ich in einer Wanne. Du magst Mek, ich nicht. Viele kleine Unterschiede. Aber eine große Sache haben die Grum und die Menschen gemeinsam, und das ist unsere potentielle Grausamkeit.



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