Vollendung by Franca B. Wilde

Vollendung by Franca B. Wilde

Autor:Franca B. Wilde [Wilde, Franca B.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Als Jay Carter aus Fabio Castellanis Büro zurückkehrte, fühlte er sich kein bisschen erleichtert. Im Gegenteil. Die beiden Männer hatten harte Verhandlungen geführt und waren dabei nicht zimperlich miteinander umgegangen. Sie wussten beide, dass sie sich in einer Grauzone bewegten, in der sie höllisch aufpassen mussten, damit die Sache nicht aus dem Ruder lief.

Das war mit der Auspeitschung von Silvia Sandmann eindeutig geschehen. Jetzt galt es, den Schaden zu begrenzen, ob das Castellani passte oder nicht. Am Ende hatte er zwar in Jays Vorschläge eingewilligt, doch dann erzählte er ihm etwas, das die Sache in einem ganz neuen Licht erscheinen ließ.

Jay war zutiefst erschüttert. Die arme Silvia Sandmann. Das hatte eine Frau wie sie nicht verdient.

Das hatte überhaupt keine Frau verdient.

Aber darüber konnte er sich im Moment keine Gedanken machen. Zunächst mal galt seine Sorge dem körperlichen Wohl seiner Novizin, alles andere würde sich dann hoffentlich irgendwie finden.

Er hatte Silvia zunächst in sein Zimmer in der Villa gebracht, einen kleinen Raum, der ähnlich schlicht wie die Novizinnenkammern gehalten war, nur dass er ein erheblich größeres Bett besaß und seine Möbel nicht weiß, sondern mahagonifarben waren. Jay schlief hier nur, wenn er einer Novizin Extrastunden erteilen musste oder es ein üppiges Gelage mit reichlich Alkohol gab, wie erst neulich wieder bei der großen Party. Seine eigene Wohnung lag in der Stadt, gut fünfzig Kilometer von hier entfernt. Eigentlich wäre Silvia dort besser aufgehoben. Er war sich jedoch nicht sicher, ob sie den Transport in ihrem Zustand überstehen würde.

Als er leise die Tür öffnete, fuhr sie herum und starrte ihn mit aufgerissenen Augen an.

„Es ist alles gut“, sagte er beruhigend und zog rasch die Tür hinter sich zu. „Keine Angst, du bist hier in Sicherheit.“

Er sah ihr an, dass sie ihm nicht glaubte, aber sie war zu schwach, um sich zu wehren, und sank kraftlos zurück auf sein Bett. Als er ihren scheußlich zugerichteten Körper sah, wallte Zorn in ihm auf.

Er beugte sich über sie. „Hör zu“, sagte er leise. „Ich bringe dich hier raus, das verspreche ich dir. Aber du musst genug Kraft haben, um zu meinem Auto zu laufen und eine längere Fahrt zu bewältigen.“

Ihr Atem ging stoßweise, ihr Körper war mit einem dünnen Schweißfilm bedeckt, ihre Schlagadern pulsierten. Sie schaffte es nicht mal mehr, zu nicken.

Das sah nicht gut aus.

Jay holte seinen Erste-Hilfe-Koffer aus dem Schrank.

„Ich behandele jetzt erst mal deine Wunden“, erklärte er sachlich. „Das wird leider noch mal wehtun, das kann ich dir nicht ersparen.“

Mit einem feuchten Tuch wischte er das frische Blut von Silvias Körper, dann desinfizierte er die tieferen Wunden und trug anschließend großflächig eine Heilsalbe auf. Ein paar Mal lief ein Zittern durch Silvias Körper, als sie offensichtlich Schmerzen verspürte, doch sie brachte keinen Laut über ihre Lippen.

Sie lag da wie ein verängstigtes Reh, das darauf wartet, dass sein Jäger ihm den Todesstoß verpasst.

Er hatte viel gesehen in seinem Leben, und doch konnte er den Anblick dieser gebrochenen Frau nicht ertragen, die einst so schön und stolz gewesen war.

„Es wird alles gut“, flüsterte er und sprach dabei nicht nur ihr Mut zu, sondern auch sich selbst.



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