Versuch einer Kritik aller Offenbarung by Johann Gottlieb Fichte

Versuch einer Kritik aller Offenbarung by Johann Gottlieb Fichte

Autor:Johann Gottlieb Fichte [Fichte, Johann Gottlieb]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Zeno.org
veröffentlicht: 2015-06-28T22:00:00+00:00


§ 9. Von der physischen Möglichkeit einer Offenbarung.

Der Begriff der Offenbarung a priori, wie er durch Aufzeigung eines Bedürfnisses der empirischen Sinnlichkeit a posteriori berechtigt ist, erwartet eine übernatürliche Wirkung in der Sinnenwelt. Ist diese auch überhaupt möglich? ist es überhaupt gedenkbar, dass etwas ausser der Natur eine Causalität in der Natur habe? könnte man dabei noch fragen: und wir beantworten diese Frage, um theils in die noch immer[106] dunkele Lehre von der Möglichkeit des Beisammenstehens der Nothwendigkeit nach Natur-, und der Freiheit nach Moralgesetzen, wenigstens für unsere gegenwärtige Absicht, wo möglich, etwas mehr Licht zu bringen; theils um aus ihrer Erörterung eine für die Berichtigung des Begriffes der Offenbarung nicht unwichtige Folge herzuleiten.

Dass es überhaupt möglich seyn müsse, ist erstes Postulat, das die praktische Vernunft a priori macht, indem sie das Uebernatürliche in uns, unser oberes Begehrungsvermögen, bestimmt, Ursache ausser sich in der Sinnenwelt, entweder der in uns oder der ausser uns zu werden, welches hier Eins ist.

Es ist aber vors erste zu erinnern, dass es ganz zweierlei ist, ob wir sagen: der Wille, als oberes Begehrungsvermögen, ist frei; denn wenn das letztere heisst, wie es denn das heisst, er steht nicht unter Naturgesetzen. so ist dies sogleich einleuchtend, weil er. als oberes Vermögen, gar kein Theil der Natur, sondern etwas übersinnliches ist: – oder ob wir sagen: eine solche Bestimmung des Willens wird Causalität in der Sinnenwelt; wo wir allerdings fordern, dass etwas, das unter Naturgesetzen steht, durch etwas, das kein Theil der Natur ist, bestimmt werden soll, welches sich zu widersprechen und den Begriff von der Naturnothwendigkeit aufzuheben scheint, der doch den Begriff einer Natur überhaupt erst möglich macht.

Hierauf ist vors erste überhaupt zu erinnern, dass, so lange die Rede von blosser Naturerklärung ist, es uns schlechterdings nicht erlaubt ist, eine Causalität durch Freiheit anzunehmen, weil die ganze Naturphilosophie von einer solchen Causalität nichts weiss; und hinwiederum, so lange die Rede von blosser Bestimmung des oberen Begehrungsvermögens ist, es gar nicht nöthig ist, auf die Existenz einer Natur überhaupt Rücksicht zu nehmen. Beide Causalitäten, die des Natur- und die des Moralgesetzes, sind sowohl der Art ihrer Causalität, als ihrer Objecte nach, unendlich verschieden. Das Naturgesetz gebietet mit absoluter Nothwendigkeit, das Moralgesetz befiehlt der Freiheit; das erstere beherrscht die Natur, das zweite die Geisterwelt. Muss, das Losungswort des ersten, und Soll, das Losungswort des zweiten, reden von ganz verschiedenen[107] Dingen, und können sich, auch einander entgegengesetzt, nicht widersprechen, denn sie begegnen sich nicht.

Ihre Wirkungen in der Sinnenwelt aber begegnen sich, und dürfen sich auch nicht widersprechen, wenn nicht entweder Naturerkenntniss von der einen, oder die durch die praktische Vernunft geforderte Causalität der Freiheit in der Sinnenwelt von der andern Seite unmöglich seyn soll. Die Möglichkeit dieser Uebereinkunft zweier von einander selbst gänzlich unabhängiger Gesetzgebungen lässt sich nun nicht anders denken, als durch ihre gemeinschaftliche Abhängigkeit von einer oberen Gesetzgebung, welche beiden zum Grunde liegt, die für uns aber gänzlich unzugänglich ist. Könnten wir das Princip derselben einer Weltanschauung zum Grunde legen, so würde nach ihm eine und ebendieselbe



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