Todesangst by Kernick

Todesangst by Kernick

Autor:Kernick
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2014-01-12T00:00:00+00:00


24

»Wo hast du das gefunden?«, frage ich ihn und versuche, den aufsteigenden Ekel zu unterdrücken.

»In der Sofaritze«, erwidert er ruhig. »Ist das zu glauben?«

»Mein Gott, in welche Sache war Ferrie da verwickelt?«

Er schüttelt den Kopf. »Weiß der Himmel, aber was immer es auch ist, es muss eine ganz üble Geschichte sein. Der Finger ist echt, da gibt es keinen Zweifel.«

Ich betrachte den Finger etwas näher. Die Haut ist bereits halbverwest und völlig verfärbt, dennoch erkennt man aufgrund der Größe und des manikürten Fingernagels noch, dass er einer Frau gehört hat. Allerdings macht es das Ausmaß der Verwesung unmöglich zu schätzen, wie alt sie war – oder, wenn man pedantisch sein will – ist, da wir ja nicht sagen können, ob sie tatsächlich tot ist.

»Was glaubst du, wann wurde er abgetrennt?«, frage ich Lucas und wende mich schließlich von dem grausigen Anblick ab.

»Ich habe keine Ahnung«, antwortet er. »Kommt wahrscheinlich auf die Konservierung an. Wenn er zum Beispiel bei dieser Hitze in der Sonne gelegen hat, würde er schneller verwesen.«

Er schaut mich einen Augenblick an, in seinen blassblauen Augen spiegelt sich echte Besorgnis. Lucas, das muss ich mir ständig vergegenwärtigen, ist seit vielen Jahren Zivilist. Vielleicht hat er sein früheres Leben noch nicht ganz vergessen, aber die Gefahren, die damit verbunden waren, liegen eine Ewigkeit zurück. Heute ist er ein unbeschwerter Junggeselle mit einem blühenden Geschäft. Zumindest war er das bis vor ein paar Stunden. Nun steckt er, zusammen mit mir, bis zum Hals in der Scheiße.

Er seufzt und wischt sich über die Stirn. »Ich habe Ferrie zwar nie wirklich gemocht, aber für einen Killer habe ich ihn nicht gehalten.«

»Vielleicht ist er ja auch keiner.«

»Vielleicht. Aber wie sonst sollte der Finger hierhergeraten sein? Den hat ihm keiner heimlich untergeschoben. Dazu lag er zu gut versteckt.«

»Falls er der Mörder war, warum sollte er dann hier ein Souvenir zurücklassen, das buchstäblich mit dem Finger auf sein Verbrechen zeigt?«

»Ich glaube nicht, dass er das vorhatte. Möglicherweise hätte er ihn mitgenommen oder weggeworfen, ehe er endgültig abgehauen wäre.«

Ich überlege kurz, bin aber skeptisch. Ebenso wie Lucas halte ich Ferrie nicht für einen Mörder. Und schon gar nicht für einen, der Finger absäbelt und sie in seiner Sofaritze versteckt.

»Glaubst du, das hat etwas mit der Erpressung zu tun, die er versucht hat?«, fragt Lucas. »Aber wie sollte das laufen? Ob er sie mit …«, er sucht nach einem passenden Ausdruck, »… mit menschlichen Überresten konfrontiert hat?«

»Warum sonst sollte er so etwas aufbewahren?«

Eine gute Frage, so gut, dass Lucas gar nicht erst versucht, eine Antwort darauf zu finden. Stattdessen widmet er sich schweigend wieder dem Finger. Schließlich sieht er mich an.

»Das bringt uns eh nicht weiter, oder?«

»Nein, aber das hier vielleicht.«

Ich zeige ihm das Adressbuch, schlage es bei I auf und erkläre Lucas, was es mit dem Namen auf sich hat.

»W2«, sagt er. »Das ist in Paddington.«

»Da fahre ich jetzt hin. Du brauchst aber nicht mitzukommen.«

»Nein. Wir stecken beide mit drin. Wir fahren da zusammen hin.«

»Ich habe im Bordell meine Pistole verloren. Wir sind also unbewaffnet. Es könnte gefährlich werden.



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