Tod eines Investmentbankers - eine Sittengeschichte der Finanzbranche by Herder

Tod eines Investmentbankers - eine Sittengeschichte der Finanzbranche by Herder

Autor:Herder
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Herder
veröffentlicht: 2013-02-14T16:00:00+00:00


Clash of Cultures

Edson Mitchell war für seine Indianer nicht »Mr. Mitchell«, sondern »Ed«, und aus Josef Ackermann wurde »Joe«. Man kann sich leicht vorstellen, dass dies nicht bei jedem Leiter traditionsreicher Filialen von Essen bis Bremen Begeisterung auslöste. Ein ehemaliger Vorstand, der Carl-Ludwig von Boehm-Bezing heißt, Jurist alter Schule ist und der seinen Nachnamen mit einem General der Kavallerie teilt, ist nicht der Typ Banker, der sich von »Ed« und »Joe« gern »Charly« oder »Louis« nennen lässt. Boehm-Bezing kommt aus einer Generation von Bankern, in der man einen Quereinsteiger wie Alfred Herrhausen aufgrund seiner früheren Arbeit für Energiekonzerne (Ruhrgas AG und VEW) in der Bank nur »den Elektriker« nannte. Es braucht wenig Fantasie sich auszumalen, wie solche Vorstände auf Edson Mitchell reagierten. Als ich ihn für dieses Buch um ein Interview bat, lehnte Boehm-Bezing dies als einer der ganz wenigen ab. Entsprechend der Kommunikationsstrategie des englischen Adels: »Never explain, never complain.«

Mitchell gab überhaupt nichts auf derlei Usancen und ließ das sein Gegenüber auch gern spüren. Legendär und auf seiner Trauerfeier erwähnt wurde folgende Vorstandsanekdote: Als Mitchell im Jahr 2000 zu seiner ersten Vorstandssitzung kam, wollte man ihm als Neuling traditionell das Amt des Protokollanten übertragen. Keine drei Wochen später räumte Mitchell diese 125-jährige Deutsche Bank-Tradition ab; das Amt der Vorstandssekretärin war eigens für diese Sitzungen geboren. Zudem wurde auch in diesem Gremium Englisch die Lingua franca. Mitchells hemdsärmelige Direktheit führte zu manchem Zusammenstoß, brachte ihm aber auch viele Sympathien ein. Ein von Friedhelm Schwarz zitiertes Beispiel dieses kulturellen wie ideologisch-ökonomischen clash of cultures:

Die Bank hatte in Ansehung der Kommunikationsprobleme eigens einen Psychologen zum gemeinsamen Wochenendseminar eingeladen, das in der Aufforderung desselben kulminierte, eine Wand mit Fingerfarben zu bemalen. Mitchell verließ die bemüht wirkende team building-Übung mit den Worten: »So einen Scheiß mache ich nicht mit«, und ließ schwungvoll die Tür aus der Hand fallen.6 Der Amerikaner konnte gleichzeitig charmant und offen sein in einem Maße, das ihn gerade bei deutschen Mitarbeitern der Deutschen Bank beliebter machte als einige englische Führungskräfte der ehemaligen Londoner Investmentbank Morgan Grenfell, die sich kulturell mit der Frankfurter Zentrale weit schwerer taten, wie etwa John Craven oder Michael Dobson, der Mitchell als Konquistador mit eingestellt hatte. Mitchell und der mit ihm im Jahre 2000 in den Vorstand berufene US-Amerikaner Michael Philipp bewegten sich im Bermudadreieck der Befindlichkeiten von deutschen Vorstandsjuristen und Filialdirektoren einerseits, der englischen stiff upper lip-Banker, die aussehen wie Roger Moore, andererseits und schließlich der in Amerika akzeptierten, so direkten wie besonders aggressiven Kultur des Investmentbanking.

Insbesondere in Deutschland trat zu den Vorbehalten gegen Mitchell noch etwas hinzu, was Anshu Jain mir gegenüber mit dem im angelsächsischen Sprachraum verbreiteten Begriff des »tall poppy syndrom« beschrieb, auch als eigene Erfahrung: Menschen mit besonderem Erfolg oder Talent werden attackiert oder heruntergezogen, ebenso wie eine besonders großgewachsene und aus dem Feld herausragende Mohnblume abgeschnitten wird.

An keiner der im Zusammenhang mit der Buchrecherche analysierten Personen lässt sich die Haltung mancher hochrangiger Banker, denen auch Mitchell in Deutschland oft begegnet sein wird, besser illustrieren als an dem ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Börsig.



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