Three Women – Drei Frauen: Der SPIEGEL-Bestseller #1 (German Edition) by Taddeo Lisa

Three Women – Drei Frauen: Der SPIEGEL-Bestseller #1 (German Edition) by Taddeo Lisa

Autor:Taddeo, Lisa [Taddeo, Lisa]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Piper ebooks
veröffentlicht: 2020-01-13T00:00:00+00:00


Maggie

Vier Tage lang ist da nichts als Dunkelheit. Sie erzählt es keinem. Beziehungsweise kann es keinem erzählen. Sie behält den ganzen Schmerz für sich, ein kalter Obsidian von der Größe und Form ihres Körpers. Malt sich den Tod als einzige mögliche Freiheit aus.

Sie weiß, selbst wenn sie es einer Freundin erzählen könnte, würde sie niemand verstehen. Denn andere würden bei einer Trennung dieser Bebenstärke vielleicht denken, da müsse doch auch ein Gefühl der Erleichterung sein, ein Ausweg aus dem Beziehungsgefängnis, aus dieser Fixiertheit auf den Partner, die es noch nicht einmal möglich macht, sich an der stupiden Verrichtung eines Waschtags zu erfreuen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Für Maggie ist die gesamte Außenwelt das Gefängnis. Es ist das größte Gefängnis überhaupt, und sie kann gehen, wohin sie will. Sie kann nach Mexiko fliegen, am Strand schlafen und jeden dahergelaufenen Typen vögeln. Sie kann im Lotto gewinnen, schwanger werden. Die Ironie ist, dass sie nichts von alldem will. Sie will in den einzigen zweiundzwanzigtausend Kubikzentimetern Knochenstäben eingesperrt sein, die ihr verboten sind.

Maggie stellt nicht infrage, warum er allein für sie beide entscheiden darf. Sie versteht, dass sie jetzt keine Stimme hat .

Nach dem Telefonat erbricht sie sich heftig. Es ist hauptsächlich Gallensaft. Die Fliesen, auf denen sie kniet, sind kalt, und der Schnee vor ihrem Fenster ist auch nicht mehr schön. Sie erzählt ihrer Mutter, sie sei krank, und bleibt den Rest des Tages in ihrem Zimmer.

Dass sie bislang immer nur mit ihm über alles gesprochen hat, macht es nicht leichter. Nun müsste sie zu einem der Menschen gehen, von denen sie sich abgewendet hat. Sammy? Die weiß nichts von ihren Abgründen. Ihre Eltern? Die haben ihre eigenen Dämonen zu bekämpfen, und erst durch ihn war sie besser mit ihrer Begrenztheit zurechtgekommen. Er hat ihr geholfen, darüber hinauszuwachsen. Ihre Brüder und Schwestern? Die haben selbst Kinder, haben ihre eigenen Ängste und Sorgen. Sie wohnen weit weg, und wenn sie mit ihnen telefoniert, hängt ihnen immer eins ihrer Kinder am Bein, oder sie müssen irgendeins von irgendeinem Spiel abholen. Gibt es sonst noch wen in North Dakota? Die Bekannten, die sich nett geben, aber unter der Oberfläche ketzerisch und engstirnig sind? Die können ihr auch nicht helfen, die lieben sie nicht.

Auf die telefonische Verkündigung des Weltuntergangs folgt eine Flut biblischen Ausmaßes. Die Schulwoche fällt flach. Maggie vergräbt sich tagelang in ihrem Zimmer und isst nicht einen Bissen. Die Panikattacken überkommen sie mit voller Wucht, oft quälend durchsetzt mit Schlaf. Wer behauptet, Schlaf sei süß, denkt nicht an Albträume. Und selbst wenn man nichts träumt, ist einem im Schlaf nicht bewusst, dass er nur eine kurze Atempause vom Schmerz bedeutet. Schlaf ist nicht süß, sondern gemein. Schlaf ist ein Loch in der Zeit, ein Loch im Schmerz.

Bei Maggie wirkt Schlaf lediglich wie ein Reset, sodass sie das Geschehene jedes Mal, wenn sie wach wird, aufs Neue rekonstruieren muss, sich erneut ins Gedächtnis rufen muss, dass die Liebe ihres Lebens gerade gesagt hat: »Das mit uns ist durch. Alles, was du geglaubt hast zu haben, ist vorbei.



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