Teatime mit Tante Alwine by Jacobi Ellen

Teatime mit Tante Alwine by Jacobi Ellen

Autor:Jacobi, Ellen [Jacobi, Ellen]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-07-29T04:00:00+00:00


2.

Alwines Augen ruhen voll Wohlgefallen auf Gräfin Kristin. Nein, was ein hübsches Dekolleté ausmachen kann! Denn das hat Frau von Eschlohe und zu Schott zweifellos. Sonnenbraun ist es und einladend geformt. Raissas Kleiderwahl – ein nilgrünes Ensemble aus fließendem Chiffon mit Staubperlenstickerei – ist vortrefflich. Für den Geburtstagsball zu ihrem fünfundachtzigsten Geburtstag in zwei Tagen hat sie für die Gräfin außerdem ein taubengraues Abendkleid im Togastil gewählt, mit Rückenausschnitt, ohne Schnickschnack. So viel Stil und Zurückhaltung hätte sie der rheinischen Russin gar nicht zugetraut. Zumal die sich selber pinkfarbene Gummistiefel mitgebracht hat, die sie als Leuchtboje qualifizieren könnten. Für neunzig Pfund! Na, Schwamm drüber. Raissa ist jeden Pfennig ihres Geldes wert.

Die Nägel hat sie Frau Aschenputtel von Eschlohe auch gemacht, weil millimeterdick Gartenerde daruntersaß. Etwas Rouge hebt die gräflichen Wangenknochen und bringt die adlige Nasenlinie zur Geltung. Der Schein des Kaminfeuers in der ehrwürdigen Bibliothek von Upton Manor tut ein Übriges, um Gräfin Kristins aristokratische Gesamterscheinung angemessen zur Geltung zu bringen.

Sie sollte nur nicht so steifbeinig an den Bücherregalen entlangstaksen. Sieht aus wie ein Storch im Salat. Leider fehlt ihr jede Begabung zu jenen harmonischen Bewegungen der Glieder und des Kopfes, die man »Linie« nennt. Außerdem merkt man der Gräfin deutlich an, dass Bibliotheken nicht ihr angestammter Lebensraum sind.

Zu Pferde macht sie sicher eine anmutigere Figur, aber ein Pferd steht nun mal leider nicht zur Verfügung. Obwohl … In den Stallungen gibt es doch welche! Ha, das ist die Idee. Ein trauter Ausritt zu zweit wäre wunderbar! Ob Nils reiten kann? Na, wer rudert und segelt, kann sicher auch reiten.

»Kommen Sie doch hierher zu uns, zwischen mir und Frau Popow ist reichlich Platz«, lädt Alwine die Gräfin ein. »Sicher wird der Lord uns vor dem Kamin zum Drink bitten, und Raissa sitzt nur neben mir, bis mein Patensohn kommt.«

Strategisch sind die Sofas und Fauteuils beim Kamin die günstigste Position für ein zwangloses Rencontre zwischen Nils und der Gräfin. Rencontre! Nein, wie merkwürdig, stellt Alwine fest, jetzt denkt sie schon französisch! Dabei kann sie das kaum. Muss an der vornehmen Umgebung liegen.

Kristin von Eschlohe wendet kurz den Kopf von den Büchern ab und lehnt mit stummem Kopfschütteln und ernster Miene ab. Mit geradezu tragisch umflorter Miene.

»Was ist denn mit der los?«, fragt Alwine raunend bei Raissa an.

»Ich hab ihr geraten, mehr Abstand zu halten und weniger zu lachen«, flüstert Raissa verschwörerisch zurück. »Zähne kann man leider nicht wegschminken. Hab’ behauptet, Nils sei wegen seiner Scheidung noch sehr melancholisch und ein Freund stiller Frauen mit Interesse an tiefsinniger Lyrik.«

»Ach, darum markiert sie so ein auffallendes Interesse für die verstaubten Schwarten hier.«

Verstaubt trifft es, die Luft in der Bibliothek ist trocken wie Sandpapier. Sehnsüchtig schielt Alwine zu dem imposanten Servierwagen mit den funkelnden Kristallkaraffen neben sich. Eine junge Frau hat ihn soeben hineingerollt. Ein Sherry wäre ihr wirklich willkommen. Oder ein Gin Tonic. Gute Güte, die haben sogar Dubonnet! Das soll eine Art Wermut aus hochprozentigem Traubenmost sein, nur viel vornehmer aromatisiert. Mit Chinarinde, Zimt, Zitronenschale und Kaffeebohnen. Dubonnet war – gemischt mit Gin – der Lieblingsdrink der seligen Queen Mum.



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