Substance-Die Formel by Boyd Morrison

Substance-Die Formel by Boyd Morrison

Autor:Boyd Morrison [Morrison, Boyd]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2012-12-31T16:00:00+00:00


ZWEIUNDZWANZIG

Kevin und Erica saßen auf einer Holzbank. Kevin fixierte die Uhr an der Wand. Die Zeiger standen auf zwanzig Minuten vor fünf.

Erica hielt Kevins rechtes Knie fest. Kevin hatte gar nicht gemerkt, dass er damit gewippt hatte. Er versuchte zu lächeln.

Nur weil Kevin versichert hatte, sein Vater bringe den Pass in einer halben Stunde, hatte man ihn nicht in eine Zelle gesteckt. Das Telefonat war kurz gewesen. Kevin hatte die Überraschung in der Stimme seines Vaters gehört, als er ihm mitteilte, wo er und Erica sich aufhielten und was er brauchte, aber Fragen hatte sein Vater keine gestellt, sondern nur gesagt, er könne in etwa zwanzig Minuten in Hutchins sein.

Da bereits abzusehen war, dass sie es nicht bis um fünf Uhr schaffen würden, hatte Erica den Verkäufer von SciSurplus angerufen und ihn überredet, länger zu bleiben. Er habe sowieso noch Bürokram zu erledigen, hatte er ihr versichert, sie könnten den Laser auch noch um sieben Uhr abholen. Knapp würde es dennoch werden, denn die Fahrt nahm bei normalem Verkehr fünfundvierzig Minuten in Anspruch. Im Berufsverkehr konnte sie leicht doppelt so lange dauern.

Fünfzehn Minuten waren seit Kevins Telefongespräch vergangen. Danach war er nicht sehr gesprächig gewesen.

»Warum hast du mir nichts von deinem Vater erzählt?«

»Ich will die Zeit zu Hause vergessen. Ich hielt es nicht für wichtig, nachdem du von deinen Eltern erzählt hattest. Sie haben dich geliebt. Warum sollte ich darüber reden, was für einen Scheißvater ich hatte?«

»Nach dem, was wir in den vergangenen Tagen gemeinsam durchgemacht haben, hätte ich gedacht, dass du weißt, du kannst mit mir darüber reden.«

»Du hast ja recht. Es tut mir leid.« Kevin starrte auf die Uhr. »Gut … Hier ist meine Geschichte. Mein Vater hing während meiner Kindheit an der Flasche. Nach einem Unfall auf einer Baustelle erhielt er zehn Jahre lang Sozialhilfe. Die Hälfte davon hat er vertrunken, weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte. Er wollte nicht, dass ich auf die Uni gehe und wollte auch kein Geld dafür lockermachen. Studieren hielt er für Zeitverschwendung. Ich sollte auf dem Bau arbeiten und ein richtiger Mann werden. Dass ich studieren durfte, verdanke ich meiner Mutter. Sie starb vor drei Jahren an Krebs. Auf ihrer Beerdigung habe ich das letzte Mal mit meinem Vater gesprochen. Ein bisschen anders als deine Geschichte, wie?«

»Stimmt, aber er kommt hierher. Daran kannst du sehen, dass du ihm nicht egal bist.« Sie wies zum Eingang und tippte auf seinen Arm. »Das dürfte er sein.«

Kevin blickte auf. Er sah auf den ersten Blick, warum Erica sich so sicher gewesen war, dass der Eintretende sein Vater war. Die hagere Gestalt, die auf sie zuschritt, trug Arbeitskleidung. Sie war so groß wie Kevin, aber extrem untergewichtig. Das kantige Kinn, die römische Nase, die großen haselnussfarbenen Augen, das von Stoppeln bedeckte faltige Gesicht und das schüttere Haar seines Vaters gaben Kevin das Gefühl, ein zukünftiges Abbild seiner selbst zu erblicken.

Sie standen auf. Murray blieb abrupt vor ihnen stehen. Wortlos schaute er seinen Sohn an.

Endlich brach Kevin das Schweigen. »Hallo, Dad.«

»Ich hätte mir denken können, dass du mich nur deshalb anrufst, weil du in Schwierigkeiten steckst.



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