Stuttgarter Trilogie by Wilhelm Raabe

Stuttgarter Trilogie by Wilhelm Raabe

Autor:Wilhelm Raabe [Raabe, Wilhelm]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9788026827306
Herausgeber: e-artnow Verlag
veröffentlicht: 2014-12-22T00:00:00+00:00


Fünfzehntes Kapitel

Inhaltsverzeichnis

Es wird ohne Zweifel einmal eine Zeit gekommen sein, in welcher keine »Residenzen«, weder große noch kleine, mehr in unserm Weltteil existieren werden; dann aber haben vielleicht die Vereinigten Staaten von Europa ihre Geschäftsträger, Gesandten, Generalkonsuln und Konsuln an den Höfen der fürstlichen Herrschaften jenseits des Ozeans zu erhalten, und freie und erleuchtete Bürger werden mit Vergnügen die große Republik bei den Majestäten von Neuyork, Ohio, Illinois, Virginien, Louisiana und so weiter vertreten, und wird die Etikette sowie alles übrige monarchische Spielwerk in ihren Händen recht sicher aufgehoben sein, that is a fact. Bis aber dieser glückselige und wahrhaft normale Zustand eingetreten ist, wollen wir uns das Leben auch unter den jetzigen Verhältnissen so angenehm wie möglich zu machen suchen.

»Derjenige politische Zustand ist immer der normalste, welcher den meisten kleinen Eitelkeiten der Menschen gerecht wird«, sagte Leonhard Hagebucher, und der Major Wildberg, ein feiner, gutmütiger Mann von gelehrtem Äußern, ein Herr mit einer goldenen Brille, einem blonden Bart und einer angehenden Glatze, ließ die Behauptung gelten, wenn auch nicht ohne ein bedeutsames Achselzucken.

Hagebucher hatte bei dem Major zu Mittag gespeist, und zwar ganz ausgezeichnet. Jetzt vergoldeten die letzten Strahlen der scheidenden Herbstsonne das Dessert; die Kinder hatten sich zwischen die Erwachsenen gedrängt, um ihr Teil von den Annehmlichkeiten des Daseins zu erhaschen, und das allerbehaglichste Lächeln verschwand von dem Gesicht der Frau Emma erst in dem Augenblicke, als ein Wagen in der Gasse rollte und vor der Tür des Hauses anhielt.

Die Frau Emma warf einen Blick zu ihrem Major hinüber und sagte, indem sie sich erhob:

»Das wird sie sein! Ich erwarte die Herren in meinem Zimmer.«

Der Afrikaner sprang auf und warf, um ihr die Tür öffnen zu können, verschiedene Stühle über den Haufen; der Major knackte seufzend die letzte Nuß und sagte, wieder die Achseln in die Höhe ziehend:

»Füllen Sie noch einmal Ihr Glas, mein Bester, wir wollen auf gute Kameradschaft anstoßen. Übrigens kam wahrscheinlich Nikola, ich meine die Frau von Glimmern, soeben. In einem Weilchen wollen wir meiner Frau folgen.«

Es war eine stille, ziemlich breite Straße, in welcher der Major Wildberg, im Mittelpunkt der Stadt, wohnte. Jahrhunderte waren durch die Gasse geschritten, ohne sie ungemütlich gemacht zu haben, und das angesehenere Zivil-und Militärbeamtentum des kleinen Staates wohnte mit Vorliebe hier bei dem soliden Bürgertum zur Miete. Die Kasernen, Kanzleien und Kirchen waren nach allen Seiten hin von hier aus leicht und trockenen Fußes zu erreichen, und die wohlklingendsten Titulaturen des Landes grüßten sich daher nicht ungerechtfertigterweise hier über den Weg und auf den Bürgersteigen vor den Haustüren, und manches große Verdienst um Fürst und Volk verzehrte in dieser Gegend der Stadt seine gesetzliche Pension mit angemessener Würde sowie in ungestörtester Muße. Benützen wir die Übergangsepoche, während welcher nicht etwa die deutsche Kleinstaaterei ein Ende nimmt, sondern während welcher der Major seinen Gast zu den Damen führt, um uns der Meinung des Mannes aus dem Tumurkielande vollständig anzuschließen und den Staat für den besten zu erklären, der am humansten sich darstellt, das heißt, den Gefühlen der Menschheit am meisten



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