Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive by Bierbaum Otto Julius

Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive by Bierbaum Otto Julius

Autor:Bierbaum, Otto Julius
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-03T05:00:00+00:00


Man befand sich wieder einmal in der Periode 3b, als das weiland Wurzener Cénacle die Leipziger Universität bezog, und es gab keinen Fuchs, der die Mütze so energisch nach oben stieß, wie der stud. phil. et jur. Willibald Stilpe oder, wie er auf der Matrikel feierlich und lateinisch hieß: vir iuvenis dominus Stilpe leissnigensis.

Die Mütze, die er in dieser Weise handhabte, sah gelb aus, genauer gesagt: Kanariengelb, und zeigte außerdem einen weißen und einen schwarzen Streifen.

Stilpe war, uneingedenk des Schwurs an der Mulde, einer Verbindung beigetreten, einer Verbindung schlechthin, die nicht Corps, nicht Burschenschaft, nicht Landsmannschaft war.

Das Kanariengelb war schuld daran.

Stilpes koloristischer Blick hatte sofort bemerkt, daß diese Farbe zu seinen glänzend schwarzen Haaren eminent (das Wort liebte er jetzt) stehen müsse, und es lag überhaupt etwas Schmetterndes, Verwegenes in ihr, etwas, das zu seiner augenblicklichen Stimmung genau paßte.

– Bitte, was kostet diese Handelsstadt? Nur keine Bange! Nur den Preis genannt! Ich zahle ohne Feilschen.

Ein Triumphatoren-, ein Sankt Georgsgefühl! Hinter ihm, ein widerlich geschwollenes Grau, lag der überwundene Drache Gymnasium, vor ihm breiteten tausend junge schöne Mädchen glänzende Teppiche aus, weit ins Land hinein, wo rechts und links die angenehmsten Dinge als rotgoldene Ähren auf gelbgoldenen Halmen schaukelten.

Blos mitnehmen! Blos einscheuern! Sklaven wimmeln ringsum und schielen aus tiefer Verbeugung nach Seiner Herrlichkeit gelassenen Winken...

Und diese vielen Restaurants! Und keins verboten! Kühn darf man mitten in Damenbedienung sitzen und das Taschentuch behaglicher Paschahwünsche werfen.

In dieser Stimmung hatte er sich ohne viel Besinnen die kanariengelbe Mütze aufgesetzt. Und nun saß sie fest und sah gut aus.

Nachdem er sich für sie einmal entschieden hatte, erbaute er sich aber auch ein System von Gründen dafür, daß er just in eine simple Verbindung, nicht in ein Corps, nicht in eine Burschenschaft, nicht in eine Landsmannschaft eingetreten war:

Das Corps: Rückständige Institution aus unfreien Zeiten, daher Fuchsensklaverei, Burschentyrannis, starrer Formelnkram; die Burschenschaft: Entweder rückständige Romantik, Tugendbund und Keuschheit bis zum Ehebette oder Form ohne Inhalt; die Landsmannschaft: Traditionslose Neugründung, bemäntelt mit einem alten Namen, ohne Wurzeln im Alten, ohne Greifranken ins Neue: Zwitter. Die bloße Verbindung dagegen, nun ja: Das war eben eine Sache für sich, etwas mehr Improvisiertes, das daher auch nicht so umklammerte und absorbierte. Zweifellos bot sich hier auch die leichtere Möglichkeit, eine beeinflussende Stellung zu erhalten. Und das ist doch wohl das Wichtigste!

So verteidigte sich Stilpe vor sich selber. Erst hinterher kam ihm der Gedanke: Aber warum denn überhaupt eine farbige Mütze? Das war ja doch wohl eigentlich eine Kinderei, – wie? Ein Atavismus? Ein testimonium paupertatis animi? Hatte er nicht das Wort geschliffen: Ein freier Kopf braucht keine bunte Mütze?

Gewiß, gewiß! Aber: Si duo faciunt idem, non est idem! (Seitdem er nicht mehr Latein treiben mußte, zitierte er viel Lateinisches.) Für jene anderen ist die Mütze eine gewisse Notwendigkeit und ein Ziel; für ihn aber nichts als ein in souveräner Laune frei gewähltes Mittel.

Mittel, – wozu?

Erstens zur Erzielung gewisser landsknechthafter Empfindungen! Denn es steckt Historie in dieser Institution des wehrhaften deutschen Rauf- und Sauf-Studenten und ein rechter Kerl zeigt seine Rasse; und



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