Software-Ergonomie by Michael Herczeg

Software-Ergonomie by Michael Herczeg

Autor:Michael Herczeg
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Walter de Gruyter
veröffentlicht: 2018-03-11T16:00:00+00:00


8.3.6Direkte Manipulation

Verbreitete Beispiele für handlungsorientierte Systeme sind die sogenannten Desktop-Systeme, Nachbildungen oder Metaphern (Dutke, 1994) von Schreibtischoberflächen und Schreibtischutensilien auf Bildschirmen. Andere Beispiele sind Nachbildungen von Elektroniklabors (Herczeg, 1988) oder naturalistisch anmutende, dreidimensional modellierte Computerspiele (Funge, 2000). Die Benutzer verstehen derartig modellierte Welten durch mentale Transferleistungen von vorhandenem Wissen über solche Welten sehr schnell. Der Begriff der Selbstbeschreibungsfähigkeit nach ISO 9241-110 oder die unmittelbare Verständlichkeit, (zu den Kriterien siehe Abschnitt 11.4.2) kann sich auf solche Transferleistungen stützen. Benutzer haben den Eindruck, Objekte in solchen Handlungssystemen direkt manipulieren zu können.

Müssen die Benutzer aufwändige mentale Transformationen oder intensive Handlungsregulation auf den verschiedenen Ebenen leisten, so reduziert sich die Effizienz eines Systems und hinterlässt bei den Benutzern das Gefühl das System „nicht richtig im Griff“ oder ein sehr „umständlich handzuhabendes System“ zu haben.

Nach Hutchins, Hollan und Norman (1986) kann man vor allem zwei psychologische Effekte für eine Systemqualität verantwortlich machen, die man Direkte Manipulation genannt hat (Shneiderman, 1983; Shneiderman 2005), nämlich die Direktheit der Interaktion und die Einbezogenheit in die Anwendungswelt.

Wie im 6-Ebenen-Modell für Handlungssysteme dargestellt, lässt sich die Mensch-Computer-Interaktion auf mehrere Ebenen zergliedern. Das mentale Modell des Benutzers und das Systemmodell sind auf den jeweils sich entsprechenden Ebenen allerdings nicht immer verträglich oder gar von gleicher Struktur (isomorph). Differenzen zwischen mentalen Modellen und Systemmodellen führen auf den jeweiligen Ebenen zu Transformationsaufwänden seitens der Benutzer und werden als Distanzen wahrgenommen, die zu einer Indirektheit der Interaktion, d.h. zu einer weiteren Übersetzungsleistung der Benutzer führen.

Auf den jeweiligen Ebenen treffen wir typischerweise auf die folgenden Distanzen:

Intentionale Ebene: Die Funktionalität des Anwendungssystems und die Aufgabenstruktur decken sich nur teilweise. Beispielsweise lassen sich mit einem Textsystem auch kaufmännische Abrechnungen erstellen, die Funktionalität eines Tabellenkalkulationssystems ist hierzu jedoch besser geeignet, d.h. direkter für die Aufgabenstellung nutzbar.

Pragmatische Ebene: Die Prozeduren des Anwendungssystems decken sich nur teilweise mit den Verfahren, die der Benutzer anwenden möchte. So erfolgt das Kopieren eines Objektes in manchen Systemen durch das Löschen des Objekts (Cut) und das nachfolgende zweimalige Wiedererzeugen (Paste) anstatt durch eine Kopierfunktion (Copy). Für den Benutzer ist dies zunächst ein ungewohntes Vorgehen, für das es keine Entsprechung in der realen Welt hat.

Semantische Ebene: Die Objekte und Operatoren (Funktionen) des Anwendungssystems decken sich oft nicht mit den Objekten und Operatoren des mentalen Modells des Benutzers. So erwartet der Benutzer vielleicht beim Schreiben von Briefen, dass ganze Adressen gelöscht und an anderer Stelle (z.B. einem Formular) in strukturierter Form wieder eingefügt werden können. Das System erlaubt aber nur Textbereiche zu löschen und einzufügen und besitzt kein Modell davon, dass es sich um eine Adressstruktur handelt.

Syntaktische Ebene: Die Eingabe von Operationen mittels einer Interaktionssprache ist schwierig. So muss sich der Benutzer bei formalen Sprachen an die vorgegebene Syntax halten, obwohl er lieber in der natürlichen Sprache kommunizieren würde.

Lexikalische Ebene: Selbst auf der Ebene von Zeichen und Zeigehandlungen treten spürbare Distanzen auf. Dies ist z.B. der Fall, wenn mit einem englischsprachigen Textsystem deutschsprachige Texte geschrieben werden müssen, wobei die Umlaute ä, ö und ü auf die Entsprechungen „ae“, „oe“ und „ue“ ersatzweise abgebildet oder aus speziellen Zeichenmenüs ausgewählt werden müssen.



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