Sieben verdammt lange Tage by Tropper Jonathan

Sieben verdammt lange Tage by Tropper Jonathan

Autor:Tropper, Jonathan [Tropper, Jonathan]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783426404126
Herausgeber: Verlagsgruppe Droemer Knaur
veröffentlicht: 2010-12-01T23:00:00+00:00


20:54 Uhr

Paul kehrt aus dem Laden zurück, doch statt zu uns zu stoßen, durchquert er zielstebig die überfüllte Diele und verschwindet nach oben – angeblich, um nach Alice zu sehen.

»Warum hat er eigentlich Sonderrechte?«, nörgelt Phillip wie ein Zehnjähriger.

Irgendjemand hat Mom auf ihr Lieblingsthema gebracht, die Erziehung der Kinder zur Sauberkeit. Während sie sich darüber auslässt, verstummen allmählich alle anderen Gespräche im Raum. Sie gilt auf diesem Gebiet weithin als Expertin, und noch immer schicken ihr die Kinder ihrer Freundinnen E-Mails oder rufen sie an, um ihren Rat einzuholen, wenn sie Probleme damit haben, ihren Nachwuchs zur Sauberkeit zu erziehen. Wiege & Co. enthält ein langes und hochgelobtes Kapitel, worin Mom letztendlich die Psychologie des Kackens erklärt.

In diesem Zusammenhang beschreibt sie bis ins letzte Detail ihre Vorgehensweise bei ihren eigenen Kindern, die Fehler, die ihr dabei unterlaufen sind, und all die lustigen Vorfälle, die es im Verlauf des ganzen Prozesses gegeben hat, wobei sie sich keineswegs scheut, die Dinge beim Namen zu nennen. Das gesamte Buch hindurch greift Mom immer wieder ausgiebig auf ihre eigenen Erfahrungen als Mutter zurück. Es gibt zwei Seiten über Pauls nicht nach unten gewanderten Hoden, einen Abschnitt über Wendys sich spät entwickelnde Brüste sowie ein ganzes Kapitel darüber, wie Mom es schließlich schaffte, das Bettnässerproblem zu lösen, das ich als Sechsjähriger hatte. Später klaute ich in der örtlichen Buchhandlung bei jeder sich bietenden Gelegenheit ein Exemplar des Buches und warf es in einen Müllcontainer hinter dem Bahnhof, um auf diese Weise dafür zu sorgen, dass möglichst wenige Exemplare in Umlauf waren. Als ich in der sechsten Klasse war, entdeckten meine Mitschüler das Werk und zogen mich von da an ständig damit auf. In dem Jahr lernte ich, mich unter Einsatz meiner Fäuste zu wehren.

Mom redet sich langsam warm. Die Dozentin in ihr bricht wieder durch: Sie formuliert, gestikuliert und lässt hin und wieder kleine Witze aus ihrem Repertoire einfließen. Obwohl ihre Freunde sie bestimmt schon tausendmal gehört haben, lachen alle höflich, um Mom in ihrer Trauer eine Freude zu machen. Mom unterhält die Menge mit der ganzen Weisheit, die sie sich im Laufe ihres Lebens über Kinder und deren Erziehung zur Sauberkeit angeeignet hat. Dabei ist es im Raum so ruhig, dass wir alle überrascht die Ohren spitzen, als plötzlich neben Moms Stimme noch ein anderes Geräusch zu hören ist, wenn auch zunächst nur undeutlich. Es klingt wie ein atemloses Kind, begleitet vom Rauschen einer atmosphärischen Störung, aber dann ist durch Wendys Babyfon, das draußen in der Diele steht, plötzlich laut und deutlich Alices Stimme zu hören. Und zwar mit folgendem Text:

Ist er schon hart?

Nach weiterem Gekeuche und einem leisen Stöhnen fährt Alice fort: Komm schon, schieb ihn mir rein!

Dann herrscht ein Moment Stille, gefolgt von Alices kurzen, hohen Stöhnlauten und dem Gegrunze, das Paul ausstößt, während die beiden langsam in Fahrt kommen. Unsere Gäste, insgesamt etwa zwanzig an der Zahl, wirken wie vom Blitz getroffen und sehen sich mit großen Augen an. Mom, die zu reden aufgehört hat, dreht sich nach dem Babyfon um.

Fester! Fick mich fester!, ruft Alice.



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