Serpentinen by Bov Bjerg

Serpentinen by Bov Bjerg

Autor:Bov Bjerg [Bjerg, Bov]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: Ullstein eBooks
veröffentlicht: 2020-01-27T23:00:00+00:00


Wird ein großer Krieg kommen. Ein Kleiner fängt ihn an, und ein Großer, der übers Wasser kommt, macht ihn aus.

Eure Kinder werden es nicht erleben, aber eure Kindskinder bestimmt.

Es wird so schnell gehen, dass einer, der beim Rennen zwei Laib Brot unterm Arm hat und einen davon verliert, sich nicht darum zu bücken braucht, weil er mit einem Laib auch langt.

So viel Feuer und so viel Eisen hat noch kein Mensch gesehen. Wer’s übersteht, muss einen eisernen Kopf haben.

(Die Prophezeiungen des Mühlhiasl von Apoig. Weitergesagt von der Urgroßmutter zur Großmutter zur Mutter zu mir. Für die Mutter waren sie ein Dokument.)

Ich kippte die Dose hin und her. Das Telefon darin schabte leise über das Blech.

Der Weg in die Vergangenheit war stillgelegt.

Wir heirateten allein, ohne Trauzeugen, ohne Gäste, nur M. und ich und im Kinderwagen der Junge.

Montagmorgen, neun Uhr dreißig, Rathaus Pankow. Die Wände des Trauungssaales waren mit dunkelbraunem Holz vertäfelt, das in den Raum hineindrückte und einen am Atmen hinderte. Von der Decke drohten schwere Kästen aus demselben Holz. Honoratiorenholz. Patriarchenholz.

M. flüsterte: »Ein Sarg. Wir sind in einem riesigen Sarg gelandet.«

Sie musste um elf in der Kanzlei sein.

Ein paar Wochen später feierten wir im Park. Wir hatten die Mütter eingeladen und ein paar Freundinnen und Freunde. Keine Juristen. Wir spannten Hängematten zwischen die Birken. Kinder warfen sich in die Tücher, gelber Staub wirbelte auf.

M.s Mutter plauderte mit einer Schulfreundin von M. Meine Mutter saß selig auf einem Mäuerchen im Schatten, den Jungen im Arm.

Meine erste Freundin war mit ihrem zweiten Mann und der Tochter gekommen.

An ihren Augen sah ich kleine Krähenfüße, Fächer von feinen Kerben. Die zarte Mundfalte von früher war zu einer deutlichen Furche vertieft. Die Hände immer noch zierlich. An den Fingerknöcheln grobe Runzeln.

Sie war jetzt eine hagere Dame, doch ich sah in ihr immer noch das schmale Mädchen.

Es war gleich, wie lange ich eine Frau, der ich einmal nahe gewesen war, bereits kannte. In meinen Augen stand für immer das Bild der Frau, die ich zum ersten Mal getroffen hatte.

Sie hatte mir das Leben schwer gemacht, ich war glücklich gewesen. Wir hatten versucht, auf andere Weise ein Paar zu sein. Doch erst als wir kein Paar mehr waren, liebten wir uns ohne Eifersucht.

Vera und M. tanzten miteinander Walzer auf der vertrockneten Wiese.

Veras Mann konnte nicht tanzen.

Ich konnte nur Pogo.

M. nieste immer wieder heftig. Sie hustete trocken, hart, bellend. Ihre Lungen fiepten beim Atmen. Ein Asthmaanfall. Sie brach den Walzer ab.

Die Sonne sank spät. Das Licht plätscherte von Westen herüber durch das Hellgrün der Blätter und durch das Spalier der schwarz-weißen Stämmchen. Es plätscherte wie die Wellen an der Ostsee, und als ein leichter Wind Wolken vor die Sonne schob, war es, als zöge sich das Wasserlicht wieder vom Strand ins Meer zurück.

M. sagte: »Wir behalten unsere Namen.«

Ich sagte: »Nein.«

Sie sah mich überrascht an. Gewappnet, gegen die Konvention zu kämpfen und ihren Namen zu verteidigen.

Ich sagte: »Ich nehme deinen Namen an. Ich will so heißen wie der Junge.«

Ich hatte nicht bedacht, was die Namensänderung alles nach sich ziehen würde.



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